Ministerin im Alleingang
Von Dieter ReinischGut drei Monate vor der Parlamentswahl befindet sich die österreichische Regierung aus konservativer ÖVP und Grünen in der Krise. Anlass ist die Zustimmung von Umweltministerin Leonore Gewessler (Die Grünen) zum EU-Renaturierungsgesetz, das am Montag mit einer knappen Mehrheit der Mitgliedstaaten in Luxemburg verabschiedet wurde. Gemäß dem von Landwirten und Konservativen kritisierten Vorhaben sollen künftig in der EU mehr Bäume gepflanzt sowie Moore und Flüsse in ihren natürlichen Zustand zurückversetzt werden.
Das Kanzleramt in Wien hatte bereits am Sonntag abend den belgischen Ratsvorsitz informiert, dass Gewessler nicht zustimmen dürfe. Nachdem sich die Ministerin darüber hinweggesetzt hatte, hieß es am Montag: Das Votum Gewesslers »entspricht nicht dem innerstaatlichen Willen und konnte daher nicht verfassungskonform abgegeben werden«; die ÖVP reichte Klage wegen Amtsmissbrauchs ein. Darüber hinaus erklärte Bundeskanzler Karl Nehammer, seine Partei werde das Anliegen nun vor den Europäischen Gerichtshof bringen, um das Abstimmungsergebnis für nichtig erklären zu lassen.
Dieses war denkbar knapp, da mindestens 15 EU-Mitglieder zustimmen mussten, die gemeinsam mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Am Ende stimmten 20 EU-Länder, die gerade einmal 66 Prozent der Bevölkerung ausmachen, dem Gesetz zu. »Wir wissen alle, dass es dringend notwendig ist. (…) Wir senden aus Luxemburg ein deutliches Signal für den Schutz unserer Lebensgrundlage«, so Gewessler in einer ersten Reaktion gegenüber dem ORF.
Die ÖVP argumentiert jedoch, dass Gewessler sich über die Verfassung stelle, »weil sie es mit ihrer grünen Ideologie nicht vereinbaren kann, gesetzeskonform zu handeln«, so der Generalsekretär Christian Stocker. Dessen Partei ist überzeugt, dass die Ministerin an einen Einspruch der österreichischen Bundesländer gegen das EU-Gesetz gebunden sei. Gewessler wiederum ist überzeugt, dass dieses Veto nicht mehr gilt, seitdem Wien zuletzt den Länderkonsens verlassen hat und das Gesetz unterstützt. Von einem »ideologiegetriebenen Alleingang« sprach auch Herbert Kickl, Vorsitzender der rechten FPÖ, die bei den EU-Wahlen an der ÖVP vorbeigezogen war.
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