75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Sa. / So., 29. / 30. Juni 2024, Nr. 149
Die junge Welt wird von 2819 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 18.06.2024, Seite 4 / Inland
Ministerin in der Kritik

Bauernopfer für Stark-Watzinger

Ministerin bestreitet Verantwortung für Prüfskandal. Staatssekretärin muss gehen
Von Marc Bebenroth
Kultusministerkonfer_82417733.jpg
Darf sich auf den Ruhestand vorbereiten: Sabine Döring, bisherige Staatssekretärin im Bundesbildungsministerium (Völklingen, 14.6.2024)

Bettina Stark-Watzinger will nichts gewusst und schon gar nicht in Auftrag gegeben haben. Am Montag hat die Bundesbildungsministerin in Berlin gegenüber Journalisten ihre mutmaßliche Schutzbehauptung wiederholt, die sie am Sonntag bereits per Mitteilung verbreiten ließ. Die FDP-Politikerin streitet ab, direkte Verantwortung dafür zu tragen, dass in ihrem Ressort geprüft worden war, ob ein offener Brief von Berliner Wissenschaftlern Anlass für Strafmaßnahmen bietet. In dem Schreiben hatten die Unterzeichnenden unter anderem auf den Schutz der Grundrechte von palästinasolidarischen Protestierenden bestanden. Dem in der Mitteilung als »nötig« festgestellten »personellen Neuanfang« fiel nun Staatssekretärin Sabine Döring zum Opfer.

Die Ministerin hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) darum gebeten, Döring in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. Die Staatssekretärin soll »den zugrundeliegenden Prüfauftrag veranlasst« haben. Dadurch sei »der Eindruck erweckt« worden, »dass die Prüfung förderrechtlicher Konsequenzen auf der Basis eines von der Meinungsfreiheit gedeckten offenen Briefes« im Ministerium erwogen würde. Stark-Watzinger will am 11. Juni von dem Vorgang per E-Mail Kenntnis erlangt haben. Die vom NDR-Magazin »Panorama« am selben Tag online veröffentlichte Abschrift eines internen E-Mail-Verkehrs zeigt, dass auf der Referatsleitungsebene der Vorgang am 13. Mai angestoßen worden war. Veranlasst hatte dies demnach ein »Mitglied der Leitung des Ministeriums«.

Stark-Watzingers Krisenstrategie zielt darauf ab, Vorwürfe höchstens indirekt zu erheben sowie beständig die Bedeutung von Grundrechten zu betonen. So sei es »bitter und unerträglich«, dass im Jahr 2024 »auf unseren Straßen, auf unseren Plätzen« Antisemitismus sich »wieder ausbreiten« könne, wie sie am Montag vor Journalisten ausführte. Mit Verweis auf das Grundgesetz rief sie dazu auf, jüdischen Studierenden ein gefahrloses Betreten von Universitäten zu garantieren. Wo das nicht mehr gefahrlos möglich sein soll, verriet sie nicht.

Der offene Brief, in dem zahlreiche Forschende und Lehrende fordern, protestierende Studenten nicht von der Polizei niederknüppeln zu lassen, lasse Stark-Watzinger »immer noch fassungslos« zurück. Volksverhetzung oder Antisemitismus unterstellt die Ministerin den Unterzeichnenden nicht direkt. Aber die darin »transportierte Meinung« blende den »Terrorangriff der Hamas, das Leid der israelischen Bevölkerung und die Situation von Jüdinnen und Juden auch in Deutschland« aus, wie Stark-Watzinger am Montag auf der Plattform X mitgeteilt hatte. Dem werde sie »weiter meine eigene Haltung entgegensetzen«. Inwiefern diese »eigene Haltung« zu vorauseilendem Gehorsam geführt hatte, dem Staatssekretärin Döring nun ihren vorzeitigen Ruhestand verdankt, blieb offen.

Klar ist jedenfalls, warum CDU-Vize Karin Prien die Forderung nach Stark-Watzingers Rücktritt übernahm: Für die Kampagne des Konrad-Adenauer-Hauses, noch vor den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg die Ampelkoalition zur Selbstauflösung zu treiben, ist die FDP-Ministerin aktuell ein dankbares Ziel. Es sei »gut«, dass Stark-Watzinger »jetzt aufklärt und schwerwiegende Konsequenzen zieht«, lobte SPD-Bildungspolitiker Oliver Kaczmarek am Montag bei X das Vorgehen der Ministerin. Die sieht keinen Anlass, ihr Amt aufzugeben.

Großes Kino für kleines Geld!

75 Augaben für 75 €

Leider lässt die Politik das große Kino vermissen. Anders die junge Welt! Wir liefern werktäglich aktuelle Berichterstattung und dazu tiefgründige Analysen und Hintergrundberichte. Und das zum kleinen Preis: 75 Ausgaben der gedruckten Tageszeitung junge Welt erhalten Sie mit unserem Aktionsabo für nur 75 €!

Nach ablauf endet das Abo automatisch, Sie müssen es also nicht abbestellen!

Ähnliche:

  • Man hätte sich die Ausschusssitzung sparen könnnen (Bildungsmini...
    07.06.2024

    Regieren im Kafka-Modus

    Tropfen auf den heißen Stein, aber mit Überraschungseffekt: Ampelkoalition einigt sich auf BAföG-Erhöhung um fünf Prozent

Regio: