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Aus: Ausgabe vom 19.06.2024, Seite 15 / Antifaschismus
Belgien

Großdemo gegen Rassismus

Brüssel: Nach Wahlerfolgen rechter Parteien versammeln sich Tausende zum Protest
Von Gerrit Hoekman
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Tausende protestierten am Sonntag in Brüssel gegen den Aufstieg rechter Parteien

Nach dem Sieg der rechten Parteien »Vlaams Belang« und »Nieuw-Vlaamse Alliantie« (N-VA) bei den EU-Wahlen und nationalen Wahlen am 9. Juni in Belgien fand am Wochenende bereits die zweite Großdemonstration gegen das Erstarken der politischen Rechten statt. Rund 4.500 Menschen protestierten nach Polizeiangaben am frühen Sonntag nachmittag in Brüssel gegen Rassismus und für einen »solidarischen Sozialplan«.

Auf Transparenten waren Parolen wie »Nie wieder!« oder »Die braune Pest ist zurück, lasst euch nicht anstecken« zu lesen, wie der öffentlich-rechtliche flämische Sender VRT NWS berichtete. Auch palästinensische Fahnen und das inzwischen wieder populär gewordene palästinensische Halstuch, die Kufija, waren vereinzelt zu sehen.

Zum Protest hatte die »Coördinatie van Antifascistische in België« (Antifaschistische Koordination in Belgien, CAB) aufgerufen. Die Idee einer Allianz flämischer und wallonischer Antifagruppen existiert bereits seit einigen Jahren. Aktuell gewinnt das Projekt an Dynamik: Innerhalb kurzer Zeit mobilisierte das Bündnis aus 20 sozialen Bewegungen und Organisationen zu mehreren Demonstrationen in Brüssel und Lüttich, an denen jeweils mehr als 1.000 Menschen teilnahmen. Auch linke Gewerkschaften haben sich der CAB angeschlossen. Dort zeigt man sich besorgt über die Erfolge, die Kandidaten neofaschistischer Parteien bei den EU-Wahlen in vielen Ländern errungen haben.

Einige Demonstranten sahen Parallelen zu den 1930er Jahren: »Es beginnt mit einem demokratischen Sieg und dann passieren alle möglichen Dinge, die zu einer Machtübernahme führen«, erinnerte ein Teilnehmer gegenüber VRT NWS an den Aufstieg des Faschismus in Europa.

Laut dem Brüsseler Radiosender Bruzz wurden während der Versammlung vor dem Hauptquartier der ultranationalistischen flämischen Partei Vlaams Belang Mülleimer mit Abfall entleert, Eier und Farbe gegen das Gebäude geworfen und anarchistische Symbole auf die Fassade gepinselt. »Wir bedauern, dass die extreme Linke sich weigert, die Demokratie zu respektieren und konsequent Gewalt und Vandalismus anwendet«, zitierte die Tageszeitung De Morgen einen Vertreter von Vlaams Belang dazu. »Wir erwarten, dass Polizei und Justiz entschieden dagegen vorgehen.«

In Belgien erreichte Vlaams Belang bei den EU-Wahlen 14,5 Prozent der Stimmen (in Flandern: über 20 Prozent) und wurde damit stärkste Kraft. Bei den ebenfalls am 9. Juni abgehaltenen nationalen Wahlen landete die Partei auf Platz zwei, knapp hinter der N-VA. In der traditionell eher links orientierten Wallonie warnt die CAB zudem vor dem Abdriften der französischsprachigen liberalen Partei Mouvement Réformateur (MR) nach rechts. Im künftigen EU-Parlament sind laut dem Bündnis 178 rechtsradikale Abgeordnete vertreten.

»Die Rechtsextremen machen oft Migranten und andere Minderheiten für die aktuellen Probleme verantwortlich, anstatt sich mit den wirklichen Ursachen wie der Erosion sozialer Rechte und der Umverteilung des Reichtums zu befassen«, hieß es dazu im Aufruf zur Demonstration vom Sonntag. »Viele von uns waren schockiert von dem Ergebnis der Wahlen vom 9. Juni. Es stellt einen Durchbruch der extremen Rechten auf europäischer Ebene dar«, erklärte ein Initiator der Demonstration der Tageszeitung De Morgen.

»Die Ergebnisse sind die Folge jahrzehntelanger Sparpolitik«, zitierte Bruzz bereits am Dienstag vergangener Woche aus einem Statement der CAB. »Die Häufung asozialer, repressiver, rassistischer und sexistischer Maßnahmen zwingt uns in ein System, in dem Ungleichheit die Regel ist und Solidarität in den Hintergrund gedrängt wird«, heißt es dort weiter. Bereits am 10. Juni hatten über 1.000 Menschen in Brüssel an einer Demonstration gegen die Wahlerfolge der rechten Parteien teilgenommen. Auch in Lüttich hatten sich Antifaschisten versammelt. Dabei wollten die Demonstranten unter anderem an den sogenannten Cordon sanitaire (in etwa: Pufferzone) erinnern. Damit wird in Belgien, analog zum Begriff der »Brandmauer«, das moralische Verbot einer politischen Zusammenarbeit mit ultrarechten Parteien bezeichnet.

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