Nasrallah warnt Israel
Von Karin Leukefeld, DamaskusIn einer deutlichen Botschaft an die israelische Regierung und Armee hat der Generalsekretär der libanesischen Hisbollah am Mittwoch abend die jüngsten israelischen Kriegsdrohungen gegen den Libanon aus Israel zurückgewiesen. »Ihr seid es, die vor einem Krieg mit uns Angst haben müsst«, so Hassan Nasrallah in einer Videobotschaft.
Nasrallah hielt die Rede anlässlich des Gedenkens an Talib Abdallah (Abu Talib), einen der ranghöchsten Hisbollah-Kommandeure, den Israel am 11. Juni gezielt ermordet hatte. Der Hisbollah-Chef nutzte die Gelegenheit, erneut zu erklären, dass der Libanon keinen Krieg wolle. Angesichts der »bestehenden Tatsachen« seien die Drohungen Israels unrealistisch.
Dass die Warnungen des Hisbollah-Chefs eine Entspannung bezwecken, ist zu bezweifeln. Am Donnerstag morgen tötete das israelische Militär erneut einen Hisbollah-Kommandeur in einer gezielten Hinrichtung, wie die Armeeführung mitteilte. Die Miliz feuerte daraufhin Dutzende Raketen auf den Norden des Landes.
Vor dem Hintergrund von am Dienstag veröffentlichten Drohnenaufnahmen von militärischen Stellungen und Städten im Norden Israels erklärte Nasrallah in seiner Rede: »Kein Ort in Israel wird vor unseren Raketen und Drohnen sicher sein.« Sollte Israel den Krieg beginnen, werde es eine »nie dagewesene« Reaktion geben. Man verfüge über mehr als 100.000 Kämpfer, neue Waffen und einen großen Waffenbestand.
Auch die zypriotische Regierung warnte der Generalsekretär der Miliz. Wer Flughäfen israelischen Flugzeugen zur Verfügung stelle, mache sich zum »Teil des Krieges«. Die Republik Zypern sei »in keiner Weise in diesen Krieg involviert«, erklärte umgehend der zypriotische Präsident Nikos Christodoulides. Zypern sei »Teil der Lösung, nicht des Problems«. Auf der Insel hat es seit Beginn des Krieges immer wieder Proteste vor den beiden britischen Luftwaffenstützpunkten Akrotiri und Dekelia gegeben. Die britische Luftwaffe unterstützt Israel im Krieg gegen Gaza. Die israelische Luftwaffe und Armee haben zudem wiederholt an gemeinsamen »Antiterrorübungen« auf Zypern teilgenommen.
Auch auf die Vermittlungsmission von US-Präsidentenberater Amos Hochstein reagierte Nasrallah in seiner Ansprache. Dieser hatte Berichten zufolge in Beirut angefragt, ob die Hisbollah die Hamas davon überzeugen könnte, den Vorschlag von US-Präsident Joseph Biden für einen Waffenstillstand zu akzeptieren. Was dem »Widerstand in Palästina« vorgelegt worden sei, nutze nicht den Palästinensern, sondern Israel, so Nasrallah.
Zu einem möglichen Ende des Kriegs im Gazastreifen hatte sich zuletzt auch die Hamas öffentlich geäußert und Verhandlungen über einen Waffenstillstand gefordert. Ihr politischer Führer Ismail Hanija hatte in einer Rede zum islamischen Opferfest am vergangenen Sonntag alle beteiligten Seiten aufgefordert, sich an die UN-Sicherheitsratsresolution 2735 vom 10. Juni zu halten. In dieser werden ein dreistufiges Waffenstillstandsabkommen zur Beendigung des Kriegs in Gaza sowie umfangreiche humanitäre Hilfe für die Palästinenser gefordert.
Trotz der Blockadehaltung der Israelis würden die Hamas und andere Widerstandsfraktionen an ihrer Verpflichtung festhalten, einen dauerhaften Waffenstillstand, den umfassenden Rückzug der israelischen Armee aus dem Gazastreifen und einen Gefangenenaustausch zu erwirken. Die Lösungen »gegen den israelischen Vernichtungskrieg im Gazastreifen und für die Freilassung der Gefangenen sind Verhandlungen«, so Hanija.
Vor dem Hintergrund der Verluste der israelischen Armee im Gazastreifen treten die Widersprüche im israelischen Establishment immer weiter zutage. Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari kritisierte das von Premierminister Benjamin Netanjahu ausgegebene Kriegsziel, die Hamas vollständig zu zerstören, als unrealistisch. Dem Fernsehsender Kanal 13 erklärte er am Mittwoch, die Hamas sei eine Idee und »in den Herzen der Menschen verwurzelt«. Jeder, der glaubt, man könne die Hamas eliminieren, liege falsch.
Das Büro des israelischen Regierungschefs wies die Äußerungen scharf zurück. Das Sicherheitskabinett habe »die Zerstörung der militärischen und politischen Fähigkeiten der Hamas als eines der Kriegsziele genannt«, hieß es in einer Erklärung. Die israelischen Streitkräfte seien »daran gebunden«.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Gion Honegger aus H.M. Zürich (23. Juni 2024 um 00:07 Uhr)Danke an Karin Leukefeld für ihre immer sehr gut recherchierten Informationen! Es gibt ja – wie ich von verschiedenen Seiten gehört habe – Bemühungen für eine Kampagne zur Freilassung des palästinensischen Freiheitskämpfers Marwan Barghuthi aus israelischer Gefangenschaft (resp. als Geisel). Israel räumt ja seit Jahren kategorisch alle Palästinenser:innen aus dem Weg, die für Verhandlungen den Rückhalt des palästinensischen Volkes haben: Entweder durch gezielte Tötungen oder durch Geiselhaft (Marwan Barghuthi wurde – nach einem missglückten israelischen Anschlag gegen ihn – gefangen genommen und zu 4 x lebenslänglich + 40 Jahre Geiselhaft »verurteilt«.) Ich denke, es wäre wichtig, eine solche Kampagne zur Freilassung Barghuthis – und vieler anderer palästinensischer Geisel in israelischer Haft! - zu unterstützen und ins Zentrum von Aktivitäten zu rücken. Und damit auch die Tausenden von verschleppten palästinensischen Geiseln nach Israel – darunter viele Jugendliche! - zu thematisieren! Frage an Karin Leukefeld: Ist das eine reale Möglichkeit? Könne Sie dazu recherchieren und informieren? Vielen Dank und solidarische Grüsse!
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