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Aus: Ausgabe vom 17.06.2024, Seite 11 / Feuilleton
Fernsehsport

EM-Depesche (2)

Unzeitgemäße Betrachtung: Kopfballspiel
Von Jürgen Roth
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Kai Havertz (Rückennummer 7) strengt den Kopf an

»Mir tun Spieler und Trainer leid, wenn sie mit Journalisten konfrontiert sind.«

Kommentar auf Youtube

Medientage eins und zwei. Alles wie gehabt, alles wie stets zum Vomieren.

Ich schenkte mir die Vorberichterstattung zum Spiel gegen Schottland und saß am Stammtisch. Da rief mich ein hochgeschätzter und -integrer Redakteur des RBB an und sagte: »Herr Roth, bitte schreiten Sie ein!«

Er war entsetzt. Katrin Müller-Hohenstein, meinte er, gebärde sich ob ihres schieren Moderatorinnendaseins dermaßen hundsstumpf fröhlich, dass er überlege, den Fernseher in den Garten zu schmeißen.

Die Nachkartelei habe ich mir dann angeschaut. Das war »’ne geile Nummer, würd’ ich sagen«, »hervorragend gut gemacht« (Emre Can), »eine riesige EM-Lust« überschwemmte das Land, und der ZDF-Kasper und -Field-Reporter Boris Büchler, der unter uns Mädchenpensionatsinsassen nur »die sprechende Blechdose« genannt wird, stellte dem sichtlich verlegenen Genius Jamal Musiala die mutmaßlich dämlichste Frage der Sportjournalismusgeschichte: »Wie kommt so was, dass man von Anfang an voll da ist und dann die Schotten aus den Steinen schießt?«

Musiala antwortete: »Wir lassen das jetzt nicht zum Kopf gehen.« Folgenden Tags merkte ARD-Experte Bastian Schweinsteiger an: »Der Kopf entscheidet da sehr viel« – sofern er denn vorhanden wäre. Beim Biomilchgesicht Jochen Breyer (ZDF), der nun »die Euphorie laufen lassen« will, hegen wir diesbezüglich unsere Zweifel – womit er kein Einzelfall ist. Es »faseln« (A. Spitzenbüchs) im deutschen Fernsehen bloß noch Bohnenstrohsäcke herum. Sie wissen nichts, sie können nichts, sie haben keine Idee, sie sind zu dumm zum Gurkenschneiden – voll scharfe Idioten, die unsereins alimentiert.

Meine Schwester regte an, dass ich mir den Livekommentator Oliver Schmidt zur Brust nehmen solle. Der hatte über den »schottischen Linksverkehr« und eine »nicht wirklich vorhandene Ballorientierung« fabuliert (und über sonstwas, ich habe meistens weggehört) und dem eingewechselten Thomas Müller attestiert, er sei »’ne Lichtgestalt, die schattentauglich ist«. – »Der Satz des Tages.« Ute lachte.

Die neuste Peperonimikrophonnudel der ARD, Christina Graf, brachte es sodann fertig, uns bereits vor dem Anpfiff der Partie Spanien gegen Kroatien einen nie vernommenen Unflatauflauf zu kredenzen: »Es wird brutal sein, schätz’ ich.« – »Absolut Wahnsinn!« – »Ein Leftie, der dann nach innen zieht.« Und so fort.

Weltmeister Christoph Kramer hinterließ immerhin ein eines Kant, eines Hegel, eines Marx würdiges Statement: »Der Deutsche ist ja Kritiker an sich.« Kurz vor der EM hatte mir der Deutschlandfunk, für den ich fünfundzwanzig Jahre lang medienobservierende Beiträge verfasst habe, per Mail mitgeteilt, meine Texte seien »nicht mehr zeitgemäß«. Na bitte. Hier haben Sie einen nicht mehr zeitgemäßen Dreckstext. Denn Julian Nagelsmann liegt richtig: »Es bringt uns nix, wenn wir ab jetzt den Betrieb einstellen. Sondern wir müssen einfach weitermachen.«

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  • Leserbrief von Doreen B. aus Berlin (18. Juni 2024 um 13:15 Uhr)
    Vielen Dank, Herr Roth, für diesen Lesegenuss. Als begeisterte Sportguckerin fragte ich mich schon, welches komische Gefühl mich seit geraumer Zeit die Vor- und Nachberichterstattungen insbesondere der größeren populäreren Events und insbesondere beim ZDF schwänzen lässt. Sie haben mir die Antwort gegeben. Wo war eigentlich Nils Kaben? ;)

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