Jetzt zwei Wochen gratis testen.
Gegründet 1947 Freitag, 28. Juni 2024, Nr. 148
Die junge Welt wird von 2819 GenossInnen herausgegeben
Jetzt zwei Wochen gratis testen. Jetzt zwei Wochen gratis testen.
Jetzt zwei Wochen gratis testen.
Aus: Ausgabe vom 24.06.2024, Seite 4 / Inland
Milei auf Europatour

Frostiger Empfang beim Kanzler

Milei in Hamburg bei neoliberaler Hayek-Stiftung umjubelt. Kurzbesuch in Berlin
Von Kristian Stemmler
4_neu.jpg
Während sich Milei feiern lässt, stößt sein Besuch an den Landungsbrücken auf Widerspruch (Hamburg, 22.6.2024)

An den Hamburger Landungsbrücken hieß es am Samstag auf Spruchbändern »Weg mit Milei«: Mehrere hundert Menschen waren einem Aufruf linker Gruppen und der Partei Die Linke gefolgt und demonstrierten gegen den neuen Star der globalen Rechten, den argentinischen Präsidenten Javier Milei. Der ließ sich nebenan im »Hotel Hafen Hamburg« zur selben Zeit mit »Libertad«-Sprechchören feiern. Vor rund 200 Gästen – darunter die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch und der ehemalige Geheimdienstchef und nunmehrige Vorsitzende der rechten Werteunion, Hans-Georg Maaßen – ehrte die neoliberale Hayek-Gesellschaft den Mann, der sich selbst als »Anarchokapitalisten« bezeichnet, mit der Hayek-Medaille. Am Sonntag wurde Milei von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Berliner Kanzleramt empfangen.

In der Hauptstadt fiel der Empfang für den Präsidenten weniger herzlich aus als in dem Hamburger Hotel. Die ursprünglich angekündigte Begrüßung mit »militärischen Ehren« war, laut Regierungsangaben auf Wunsch Mileis, kurzfristig abgesagt worden, ebenso wie eine gemeinsame Pressekonferenz. Bei dem Treffen dürfte es vor allem um Wirtschaftsthemen gegangen sein. Deutsche Konzerne haben insbesondere die Lithiumvorräte und das Potential für erneuerbare Energien in dem südamerikanischen Land im Blick und sind von Mileis Reformpaket sehr angetan. Sieht es doch hochattraktive Steuererleichterungen für ausländisches Kapital und eine drastische Deregulierung der Arbeitsgesetze vor – alles zu Lasten der arbeitenden Bevölkerung.

Dabei war zunächst nicht sicher, ob Präsident Milei überhaupt mit Kanzler Scholz zusammentreffen wird. In Spanien hatte er sich zum Auftakt seiner Europatour nicht mit dem dortigen sozialdemokratischen Regierungschef Pedro Sánchez getroffen, sondern war am Donnerstag von der Madrider Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso empfangen worden, Mitglied des postfranquistischen Partido Popular. Die rechte Politikerin zeichnete Milei mit der »Internationalen Medaille der Gemeinschaft von Madrid« aus. Nur zwei Tage zuvor hatte er Sánchez noch als »Feigling« beschimpft, der »das gleiche Modell wie Maduro in Venezuela« anstrebe. Spanische Medien spekulieren, ob die angespannten spanisch-argentinischen Beziehungen auch ein Grund für den frostigen Empfang im Kanzleramt sein könnten.

In seiner Rede am Samstag vor der Hayek-Gesellschaft, die bereits vor einigen Jahren als »Mistbeet der AfD« bezeichnet wurde, unterließ Milei derartige Ausfälle und konzentrierte sich auf eine Darstellung seiner brachialen »Reformkur«: »Es war immer klar, dass das nicht ohne Härten über die Bühne gehen wird, aber das haben wir den Leuten immer klar kommuniziert«, sagte er in seinem Vortrag. Stefan Kooths, Kieler Wirtschaftswissenschaftler und Vorsitzender der Gesellschaft, erklärte in seiner Laudatio, Milei bringe »den Kapitalismus aus der Defensive«. Er verglich dessen Politik mit einer Chemotherapie: Die Nebenwirkungen seien heftig, aber ohne diese »Therapie« sei Argentinien am Ende.

Die Demonstranten vor dem Hotel, nach Polizeiangaben bis zu 360 Menschen, waren anderer Meinung. Mileis Besuch fördere »die Schaffung internationaler rechtsextremer Netzwerke und destabilisiert bewusst sozialstaatliche Errungenschaften«, heißt es in einem offenen Brief linker und lateinamerikanischer Organisationen aus Anlass der Demo. Die Politik des Präsidenten habe schon jetzt zu »drastischen Verschlechterungen« geführt.

Fast 60 Prozent der argentinischen Bevölkerung lebten in Armut, demokratische Rechte würden abgebaut. Im öffentlichen Dienst seien Tausende Beschäftigte entlassen worden, es komme zu drastischen Mittelkürzungen der staatlichen Universitäten. Einschränkungen der Kulturausgaben und die Privatisierung des öffentlichen Rundfunks würden vorbereitet. Die Hayek-Gesellschaft, heißt es in dem offenen Brief, verträte die Thesen des ultraliberalen Ökonomen Friedrich August von Hayek, der als Vater des Neoliberalismus gelte und maßgeblichen Einfluss auf die Wirtschaftspolitik der chilenischen Pinochet-Diktatur in den 1970er und 80er Jahren gehabt habe.

2 Wochen kostenlos testen

Die Grenzen in Europa wurden bereits 1999 durch militärische Gewalt verschoben. Heute wie damals berichtet die Tageszeitung junge Welt über Aufrüstung und mediales Kriegsgetrommel. Kriegstüchtigkeit wird zur neuen Normalität erklärt. Nicht mit uns!

Informieren Sie sich durch die junge Welt: Testen Sie für zwei Wochen die gedruckte Zeitung. Sie bekommen sie kostenlos in Ihren Briefkasten. Das Angebot endet automatisch und muss nicht abbestellt werden.

Ähnliche: