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18.06.2024, 14:12:24 / Inland
Inlandsgeheimdienst

Superjuristen in Aktion

Jahresbericht des Verfassungsschutzes
Von Arnold Schölzel
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Spionagehysterie ganz oben: Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang und die Bundesministerin des Innern und für Heimat, Nancy Faeser (SPD)

Kein mit der Bundesrepublik vergleichbares Land hält sich einen zentralen Inlandsgeheimdienst plus 16 Landesdiensten. Hier schläft der Feind noch weniger als woanders. Entsprechend grotesk bis irre ist das, was die Wasserkopfbehörde jährlich zur Rechtfertigung ihrer Existenz als »Bericht« vorlegt. Die Blütenlese dieses Jahres, am Mittwoch von Innenministerin Nancy Faeser zusammengestellt, ergibt: Spionagehysterie ganz oben, obwohl die jüngsten Fälle in die Rubrik Realsatire gehören. Wer »Zeitenwende«-Kriege führt, muss die noch kriegsuntüchtige Bevölkerung aufmischen.

Der »Antisemitismus explodiert«? Richtig, Judenhass ist widerwärtig – wie jede Hetze und Diskriminierung wegen Religion oder Herkunft. Wer aber Kritik an der Politik einer mit faschistischen Ministern durchsetzten Regierung als antisemitisch behandelt, hat den Begriff »Antisemitismus« längst aufgelöst. Da erklärt folgerichtig der Regierungssprecher zur Klage Südafrikas gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH), die entbehre »jeder Grundlage«. Das sehen die IGH-Richter anders. Vielleicht sollten sie bei Reisen in die Bundesrepublik mit Schwierigkeiten rechnen wie Yanis Varoufakis oder der Rektor der Universität Glasgow. Am 7. Juni legte das Landgericht Mannheim nun auch noch dar, warum die Parole »From the river to the Sea« nicht identisch ist mit der Forderung, Israel zu beseitigen. Hätte auch die Berliner Polizei, die reihenweise Kundgebungen wegen des Slogans verbot, schon drauf kommen können, erst recht die bedeutende Juristin Faeser. Die hatte aber im hessischen Landtagswahlkampf genug damit zu tun, mit antiislamischer Hetze Stimmen zu verlieren. Es reichte jedoch zum Kuscheln mit der CDU in der Koalition in Wiesbaden – das ist Erfolg genug.

Was aber ist mit »voller Härte«, mit Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien, die nach der Messerattacke in Mannheim von den beiden Glanzjuristen Olaf Scholz und Faeser propagiert wurden? Der frühere BGH-Richter Thomas Fischer meinte dazu am 7. Juni im Spiegel, begründen lasse sich das nur mit der Argumentation: »›So sind sie halt, die Afghanen und Syrer‹. Der rechtstechnische, rechtsfolgenschwere Begriff des ›Gefährders‹ wird unter der Hand faktisch abgeschafft, indem er auf eine bestimmte Staatsangehörigkeit reduziert wird.« Bereits die Einführung des »Gefährders« in Polizeigesetze war eine Neuauflage der aus Kaiserreich und faschistischer Diktatur bekannten »Schutzhaft«: Präventiv Wegsperren ohne Tatbestand. Seit mit den Notstandsgesetzen 1968 die bundesdeutschen Geheimdienste neu installiert wurden und die Schnüffelprivilegien der »befreundeten« Dienste selbst durch den Zwei-plus-Vier-Vertrag nicht abgeschafft wurden, wähnt sich der Apparat dieses Staates in jährlich anwachsender Gefahr.

Im Notfall organisiert er den Notstand selbst. Die faschistische Mörderbande »Nationalsozialistischer Untergrund«, die vom Verfassungsschutz aufgebaut, finanziert und vermutlich geführt wurde – da qualmten dann die Schredder, als der eine laut Gerichtsmedizin schon tote Uwe den anderen Uwe 2011 in Eisenach erschoss. Um die Aufklärung bemüht sich das Riesenamt so wie der Generalbundesanwalt um die Verursacher der Sprengung von Nord Stream 2.

Wie viele Geheimdienstler die AfD mitzüchteten, ist noch unbekannt. Aber die Anzahl von der NATO und der Bundeswehr verpflichteten Generäle, Obersten und anderen Offizieren in der Partei für Faschisten ist vielsagend. Der Verein ist derart für einen Frieden mit Russland, dass er am Freitag erst Anträge in den Bundestag einbrachte, damit die vernachlässigten deutschen Rüstungskonzerne endlich bevorzugt werden.

Es ist bei all dem konsequent, wenn jW im neuesten »Bericht« des Amtes mit Quark beworfen wird. Die Zeitung strebt demnach die »Errichtung einer sozialistisch-kommunistischen Gesellschaftsordnung« an. Eine Zeitung? Die spinnen offensichtlich, die jWler. Sie sollten besser ein »Kalifat« verlangen. Das ist nach Auskunft von Faeser und Amtschef Thomas Haldenwang von der Meinungsfreiheit gedeckt. Sind eben zwei Superjuristen.

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