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Aus: Ausgabe vom 25.06.2024, Seite 4 / Inland
Offener Brief

Appell an die Ampel

Vereine beklagen drohenden Verlust der Gemeinnützigkeit wegen Engagement gegen rechts
Von Henning von Stoltzenberg
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Aktion der AWO-Ehrenamtsakademie Sachsen-Anhalt zum Weltflüchtlingstag am 20. Juni vor dem Bundestag in Berlin

Über 100 Vereine haben in einem offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) appelliert, sie in ihrem Engagement »für unsere Demokratie und gegen rechtsextreme Gesinnung« zu unterstützen. Die Organisationen, viele von ihnen in Ostdeutschland und in ländlichen Regionen aktiv, fordern von der Bundesregierung, endlich das Gemeinnützigkeitsrecht zu ändern. »Wir alle werden in unserem Engagement durch das Gemeinnützigkeitsrecht behindert. Es gefährdet unsere Arbeit«, heißt es in dem Brief.

Denn die Vereine haben berechtigte Sorge, nicht mehr als gemeinnützig zu gelten, wenn sie sich politisch engagieren. Nur eine zügige Reform könne verhindern, dass in den nächsten Monaten immer mehr Vereine Probleme bekommen und sich zurückzögen, lautet ihr Appell an den Kanzler.

Die Unterzeichnenden sind überwiegend kleine Vereine aus Wohlfahrtspflege, Flüchtlingshilfe, Sport, Kultur und Bildung, Natur- und Umweltschutz. Mit dabei sind aber auch Landesverbände großer Organisationen wie der AWO Landesverband Sachsen-Anhalt oder Der Paritätische Thüringen. Die Kovorsitzende der Linkspartei, Janine Wissler, sagte am Montag, diese Vereine seien »der beste Verfassungsschutz«.

Sie fordern die Aufnahme des Einsatzes »für demokratische Werte, Menschenrechte, Antidiskriminierung und Rechtsstaatlichkeit« auf die Liste der gemeinnützigen Zwecke und außerdem Rechtssicherheit, wenn Vereine sich für ihre Satzungszwecke einsetzen. Dazu gehöre auch, dass sich Vereine gelegentlich für tagespolitische Themen einsetzen können sollen. Wenn ein Sportverein zu einer Demonstration gegen rechts im Ort aufrufen wolle, solle er nicht um seine Existenz fürchten müssen.

Als ein Hindernis für ihre Arbeit benennen sie die AfD. »Wir werden von der AfD beim Finanzamt angezeigt, weil wir ein lokales Bündnis gegen Rechtsextremist*innen aufgebaut haben.« Finanzämter würden die Gemeinnützigkeit anzweifeln, wenn Vereine Demonstrationen organisiert haben, und Landesrechnungshöfe mit dem Verlust der Gemeinnützigkeit drohen, mit der Begründung, der Einsatz für Grundrechte sei »einseitig«.

Die Rechten machen sich ein Urteil des Bundesfinanzhofs von 2019 zunutze. Darin heißt es, dass Tätigkeiten, die darauf abzielen, politische Entscheidungen und die öffentliche Meinung zu beeinflussen, nicht gemeinnützig sind und daher keinen Anspruch auf Steuervorteile haben. Die globalisierungskritische Organisation ATTAC hatte damals vergeblich gegen die Aberkennung des gemeinnützigen Status geklagt.

Die aktuelle Gesetzeslage ist bereits seit Jahren Gegenstand einer juristischen Auseinandersetzung. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) unterstützt dabei Vereine, denen die Gemeinnützigkeit entzogen wurde und führt mit ihnen Klagen gegen die Aberkennung.

Bereits Anfang August 2021 hatte die GFF einen eigenen Gesetzentwurf für ein »Demokratiestärkungsgesetz« vorgelegt und darin aufgezeigt, welche Maßnahmen die damals neue Bundesregierung ergreifen müsste, um das Gemeinnützigkeitsrecht so zu ändern, dass für politisch engagierte Vereine Rechtssicherheit geschaffen wird.

Von der Ampelregierung kamen seitdem keine nennenswerten Schritte in diese Richtung. Vielleicht ist ihr eine allzu aktive Zivilgesellschaft – entgegen den zahlreichen Beteuerungen ihrer Vertreter – auch gar nicht so lieb. Was bleibt, sind folgenlose Regierungsappelle gegen rechts, während die AfD immer stärker wird.

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