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Aus: Ausgabe vom 25.06.2024, Seite 5 / Inland
»Cum-ex«-Skandal

Olearius kommt davon

Prozess gegen ehemaligen Bankchef der M. M. Warburg eingestellt. Ein zunächst abgelehntes Einzugsverfahren könnte aber noch folgen
Von Gudrun Giese
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Mit einem blauen Auge: Verwicklungen von Olaf Scholz in den Warburg-Skandal werden nun wohl unaufgeklärt bleiben

Sang- und klanglos, ohne Strafe, aber auch ohne Freispruch ging der spektakulär gestartete Prozess gegen den früheren Chef der Hamburger Privatbank M. M. Warburg, Christian Olearius, am Montag zu Ende. Das Bonner Landgericht beendete das Verfahren mit einem Einstellungsurteil. Als dauerhafte Verhandlungsunfähigkeit wertete das Gericht den Gesundheitszustand des Exbankers, was als »Prozesshindernis« einzuschätzen sei, meldete am Montag dpa. Deshalb hatten die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung gleichermaßen beantragt, das Verfahren einzustellen. Der heutige Gesellschafter der Privatbank M. M. Warburg beteuerte am Montag vor Gericht erneut seine Unschuld, seine Äußerungen hatten auf den Ausgang des Verfahrens keinen Einfluss mehr.

Die Richter hatten ein medizinisches Gutachten zu Olearius’ gesundheitlicher Verfassung eingeholt. Damit bleiben 15 Fälle besonders schwerer Steuerhinterziehung ungesühnt, die die Staatsanwaltschaft dem heute 82jährigen zur Last gelegt hatte. Insgesamt hatte die Warburg-Bank dabei knapp 280 Millionen Euro Steuermittel zu Unrecht kassiert, indem sie sich mit Cum-ex-Geschäften zwischen 2006 und 2011 vom Staat Steuergeld erstatten ließ, das zuvor gar nicht gezahlt worden war. Insgesamt ging der Allgemeinheit durch die Cum-ex-Praktiken ein zweistelliger Milliardenbetrag an Steuergeld verloren. Immerhin acht Schuldsprüche hat das Bonner Landgericht seit 2020 dazu erlassen. Weitere Strafverfahren stehen in den nächsten Jahren noch an.

Olearius, der heute Gesellschafter der Warburg-Bank ist, beteuerte vor Gericht stets seine Unschuld, die mit dem gestern getroffenen Einstellungsurteil allerdings keinesfalls bestätigt ist. Aufgeklärt werden nun aber auch nicht die dubiosen Begleitumstände der Cum-ex-Affäre der Warburg-Bank. Damit hat der heutige Bundeskanzler und frühere Erste Bürgermeister der Hansestadt Hamburg, Olaf Scholz (SPD), zumindest in der Frage seiner möglichen Mitwisserschaft und Einflussnahme auf Rückzahlungen aus Cum-ex-Geschäften ebenfalls Ruhe.

Scholz hatte sich laut Tagebucheinträgen von Olearius zwischen 2016 und 2017 dreimal mit dem Banker getroffen, was Scholz nach Bekanntwerden der Einträge einräumte. Über den Inhalt der Treffen ist nichts bekannt, die Hamburger Finanzbehörde ließ in deren Folge jedoch Steuerforderungen gegen die Warburg-Bank fallen. Die Ansprüche auf das Geld verjährten. Scholz hatte stets die politische Einflussnahme des Bankchefs ausgeschlossen, sich zugleich aber darauf berufen, sich an Inhalte und Verlauf der Gespräche nicht mehr zu erinnern.

Das Einstellungsurteil im Verfahren gegen Olearius sei kein Skandal, befand Gerhard Schick, ehemaliger Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen und heute Vorstand der Bürgerbewegung »Finanzwende«, die sich seit langem kritisch mit dem Cum-ex-Geschäftsmodell auseinandergesetzt hat. »Es gibt für solche Fälle rechtsstaatliche Regeln, die für alle gelten, auch Olearius – und das ist auch richtig so.«

Als eigentlichen Skandal bezeichnete Schick den Umstand, dass es beinahe gar nicht zu dem Strafverfahren gekommen wäre, weil der damalige Warburg-Bank-Chef gute Beziehungen zur Regierung und zur Justiz in Hamburg unterhielt. »Wenn die Staatsanwaltschaft in Köln nicht hartnäckig geblieben wäre, hätte man Olearius vielleicht nie angeklagt.« Das allerdings hätte viel früher passieren müssen, als der Banker gesundheitlich noch in der Lage war, das Strafverfahren bis zum Urteil durchzustehen.

Für Olearius selbst könnte es demnächst noch in einem separaten Verfahren um die Zahlung von 43 Millionen Euro »Taterträgen« an den Staat gehen. In der vergangenen Woche hatte das Gericht den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einleitung eines entsprechenden Einziehungsverfahren zwar mit dem Hinweis abgelehnt, in diesem Bereich bestehe noch Ermittlungsbedarf. Könnten die Ankläger entsprechende Unterlagen präsentieren, sei jedoch auch ein separates Einziehungsverfahren denkbar, bei dem es dann allein um das Geld gehe und nicht mehr um die Schuldfrage, so dass Olearius auch nicht mehr vor Gericht erscheinen müsse.

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