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Aus: Ausgabe vom 25.06.2024, Seite 5 / Inland
Insolvenzen

Aufschwung nur für Pleitegeier

Creditreform: Zahl der Insolvenzen mit 11.000 Fällen im ersten Halbjahr weiter auf Rekordniveau
Von Ralf Wurzbacher
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Der letzte Schritt: Antrag auf Eröffnung eines Konkursverfahrens …

Die anhaltende ökonomische Talfahrt der BRD hat die Zahl der Insolvenzen auf den höchsten Stand seit fast zehn Jahren getrieben. Im ersten Halbjahr 2024 erfasste die Auskunftei Creditreform rund 11.000 Firmenpleiten und damit nahezu 30 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Damals waren es 8.400, was einem Anstieg von knapp über 16 Prozent gegenüber den ersten sechs Monaten im Jahr 2022 entsprach. Die wirtschaftliche Basis der BRD befindet sich augenscheinlich im Dauerschwund, maßgeblich hervorgerufen durch die energiepolitische Schocktherapie als Reaktion auf den Ukraine-Krieg sowie ausbleibende öffentliche Investitionen. Bundesfinanzminister Christian Lindner und seine FDP halten derweil eisern an der »Schuldenbremse« fest.

»Auswirkungen der Rezession im Jahr 2023, anhaltende Krisen und die kraftlose konjunkturelle Entwicklung in diesem Jahr«, nannte Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Abteilung Wirtschaftsforschung bei Creditreform, am Montag als Herausforderungen für Unternehmen. »Das alles zusammengenommen bricht vielen Betrieben das Genick.« Auch Verbraucherinsolvenzen stiegen um 6,7 Prozent auf 35.400 von Januar bis Juni registrierte Fälle, im Vergleichszeitraum 2023 waren es 33.180. Für die weitere Zunahme dürfte laut Hantzsch neben der Inflation und der Zinswende die Novelle des Verbraucherinsolvenzrechts Ende 2020 verantwortlich sein. Diese ermöglicht Privatpersonen eine schnellere Restschuldbefreiung, was das Verfahren für Schuldner interessanter mache.

Die Neuigkeiten aus Neuss könnten die Spaltungstendenzen innerhalb der Ampelregierung noch befeuern. Insbesondere seitens der SPD werden Stimmen lauter, die mit Blick auf die laufenden Beratungen des 2025er-Bundesetats auf ein Ende des restriktiven Haushaltskurses zugunsten staatlicher Konjunkturprogramme drängen, von denen strauchelnde Unternehmen profitieren könnten. Gegen derlei Begehrlichkeiten wehrt sich die FDP mit Vehemenz bis hin zur Drohung, die Koalition aufzukündigen. »Allen muss klar sein: ohne Schuldenbremse, ohne uns«, ließ der Vorsitzende der »Jungen Gruppe« in der FDP-Bundestagsfraktion, Jens Teutrine, am Montag via Bild verbreiten. Das Instrument diene auch als »Erziehungsmaßnahme für jene Politiker, denen der Respekt vor den arbeitenden Steuerzahlern fehlt und die endlos Steuergeld auf Pump ausgeben wollen«, fabulierte Teutrine.

Besonders bei mittleren und großen Unternehmen verzeichnete Creditreform einen deutlichen Anstieg der Pleiten. Bei letzteren mit mehr als 250 Beschäftigten hat sich die Fallzahl laut Analyse gegenüber dem Vorjahreswert verdoppelt, ein »sehr dynamisches« Geschehen, »das weit über dem normal üblichen Niveau der vergangenen Jahre liegt«. Überdies wären die Effekte von neuer Qualität. »Die Auswirkungen einer Unternehmenspleite sind deutlich größer als beispielsweise zu Zeiten der Weltfinanzkrise 2009.« Prominente Großinsolvenzen in jüngerer Zeit waren die bei Galeria Karstadt-Kaufhof und FTI-Touristik. Auch bei den Betrieben mit Belegschaften zwischen elf und 50 Leuten schossen die Insolvenzen um mehr als 50 Prozent in die Höhe.

Die Krise zieht sich durch alle Branchen. Besonders gebeutelt ist der Dienstleistungssektor mit 6.500 verzeichneten Pleiten, ein Plus von knapp 35 Prozent. Ähnliche Entwicklungen zeigten sich beim Handel (plus 20,4 Prozent), im Baugewerbe (plus 27,5 Prozent) und im verarbeitenden Gewerbe (plus 21,5 Prozent). Mit der Zahl der Bankrotteure hat auch die der Verlierer auf seiten von Gläubigern und Beschäftigten zugelegt. Die Zahlungsausfälle summieren sich demnach auf 19 Milliarden Euro, im ersten Halbjahr 2023 waren es 13 Milliarden. Dazu kommen schätzungsweise 133.000 Menschen, die ihre Stelle entweder verloren haben oder darum bangen müssen. Auch hier zeichnet sich ein »Rekordjahr« ab, 2023 waren insgesamt noch 205.000 Jobs von Insolvenz betroffen. Zeichen der Besserung sieht Creditreform vorerst nicht. Die Firmenpleiten würden absehbar bis Jahresende zunehmen und »im Gesamtjahr erstmals wieder das Vorcoronaniveau übersteigen«.

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