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Humor ist …

Von Helmut Höge
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Es gibt ein DDR-Satiremagazin, Eulenspiegel, und ein BRD-Satiremagazin, Titanic. Ein Humorvergleich – in ihrer Juniausgabe thematisieren beide Hefte Angriffe auf Politiker und Wahlhelfer.

»Politikerdresche« ist der Titel eines zweiseitigen Textes im Eulenspiegel, in dem die Angegriffenen »Backpfeifengesichter« genannt werden. Über die Angreifer heißt es da, dass die einen ihren »Unmut über den Zustand der Welt« verbalisieren (schimpfen), während andere eher zuschlagen: »Die Bevorzugung eines dieser beiden Talente erscheint willkürlich und ungerecht.« Wenn es um die Teilhabe am politischen Geschehen geht, sollte Deutschland die Kritik, »die im Vollkontakt zum Volksvertreter ihren Ausdruck findet, nicht pauschal als unangemessen verurteilen«.

Allerdings gibt der Autor den »Prügelverächtern« Recht: Die handfeste, gleichsam proletarische Kritik solle den »richtigen Adressaten« treffen. Zu oft greifen die »Schläger« noch »weithin unbekannte Kommunalpolitiker an – arme Seelen mit Geltungsdrang und sogenanntem Gestaltungswillen, deren Handlungsspielraum meist gegen null geht«. Darauf folgt eine lange Aufzählung von allen wichtigen Politikern – bekannt aus Funk und Fernsehen.

Der Autor unterscheidet beim »Kontakt« also zwischen Kopf- und Handarbeitern. Da scheint noch die Old-Klassenkampf-Jesus-School durch, denn er fährt fort: »Wer beim Lesen all dieser Namen nicht ein einziges Mal innerlich die Faust geballt hat, werfe den ersten Stein.«

Soweit die erste Seite, die sich für die Handarbeiter ausspricht, die andere Seite soll dem Contra geben, ihr Autor hebt jedoch bloß auf die intellektuellen Mängel der Handarbeiter ab, die »zu selten den Wirtschaftsteil der Tageszeitung lesen und sich häufiger auf die eher schlicht gehaltenen Informationen aus Whatsapp-Nachrichten, Tik Tok und Spiegel-Online verlassen«. Als Demokrat solle man aber »immer die Sichtweise jeder ­Seite betrachten«.

Die Titanic hingegen geht das ­Thema pragmatischer an, indem sie einen »großen Politiker-Prügel-Planer« veröffentlicht und somit von dem Eindruck ausgeht, dass mit den Angriffen die »Politikverdrossenheit« wohl überwunden sei. Damit das auch so bleibt, hat der Autor Ort und Zeit von zehn Parteitreffen recherchiert und gibt jeweilige Prügeltips. Bis auf das Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) und die FDP sind jedoch nur Parteien aufgelistet, die in den Wahlstatistiken unter »Sonstige« rangieren, also die Underdogs bzw. »Single Issue«-Gruppen, die wohl kaum Angriffe gewaltbereiter Wähler fürchten müssen.

Zudem sind die Prügelvorschläge der Titanic eher poetischer Natur. So schlägt sie bei der FDP vor: »Auf nach Eckernförde zum fröhlichen Liberalen-Wämmsen« und beim BSW: »Es lechzt nach Knüppelsuppe mit Königsberger Kloppe – in Radolfzell.« Bei den acht »Sonstigen« verfallen dem Autor die »Affront action«-Vorschläge des Autors vollends dem Lyrismus. Da wird einer Partei »Senge, bis der Poppen glüht« versprochen, für eine andere »saftige Schellen« empfohlen, und eine dritte darf »frische Blessuren in Bitburg« erwarten.

Beim Ost-West-Vergleich fällt zunächst auf, dass die Eulenspiegel-Autoren den Handarbeitern gerade die größeren Parteien und ihre Wortführer anempfehlen, während Titanic CDU, AfD, SPD und Die Linke unberührt lässt, erst recht deren »Zugpferde«. Ihr »Prügel-Planer« nimmt vor allem die Kleinen ins Visier. Bei ihr im Westen (Frankfurt am Main) hat man sich also wohl vom Klassenkampf abgewandt. Seit die Frankfurter Lederjackenfraktion von »Joschka« Fischer in die große Politik aufrückte und den Ritterschlag in Harvard bekam, wird auf die auf Straßenpolitik beschränkten Prekären eingedroschen, wobei die »Schläger« einen Sinn für lyrisches Haudrauf mitbringen sollen.

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