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Aus: Ausgabe vom 25.06.2024, Seite 15 / Natur & Wissenschaft
Koevolution

Ach, du dickes Kuckucksei!

Evolutionäres Wettrüsten bis zur Entstehung neuer Arten. Der Kuckuck im Kampf mit seinem Wirt
Von Daniel Bratanovic
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Wissenschaftler konnten belegen, dass Kuckuckslinien, die ihren Wirten erhebliche Kosten auferlegen, schneller neue Arten hervorbringen ...

Auf den Straßen dieser Republik lässt sich das Phänomen immer wieder beobachten, und wissenschaftlich erwiesen ist es auch: Das Herrchen verwandelt sich seinem Hund an, der Hund seinem Herrchen. Vielleicht nicht so sehr, dass aus einem John Candy ein Möter (halb Mensch, halb Köter) würde, aber dennoch sichtbar. Besteht hierbei ein Vorgang beiderseitiger Einflussnahme, wäre es dennoch vermessen, von Koevolution zu sprechen. In diesem Fall nämlich beeinflussen sich zwei in starkem Maße interagierende Arten durch gegenseitige evolutionäre Anpassungen; etwa bei Bestäubern und von ihnen bestäubten Pflanzen, bei Beutegreifern und ihren Beutetieren oder bei Parasiten und ihren Wirten. Unter hohem Selektionsdruck ruft die evolutionäre Veränderung der einen Art eine Gegenreaktion der anderen hervor, bis hin zur Entstehung neuer Arten. Ein Beweis für die Annahme, dass Koevolution die Artenvielfalt erhöht, konnte bisher allerdings nicht erbracht werden.

Forscherinnen und Forscher um Naomi Langmore von der Australian National University in Canberra haben nun jedoch in der Zeitschrift Science entsprechende Beweise vorgelegt. Sie konnten zeigen, dass sich im evolutionären Kampf mit ihren Wirten bei brutparasitären Kuckucken neue Arten bilden. Bei einigen Kuckucksarten vertreiben die Küken die Wirtsjungen aus dem Nest, während bei anderen die Jungen zusammen mit dem Wirtsküken aufgezogen werden. Diejenigen Wirtsarten, deren Nachwuchs vom Parasiten getötet wird, entwickeln oft starke Abwehrmechanismen, etwa Gene, die sie die fremden Eier erkennen lassen. Der Brutparasit reagiert und ahmt die Eier des Wirts immer besser nach: Koevolution.

Die Wissenschaftler konnten belegen, dass Kuckuckslinien, die ihren Wirten erhebliche Kosten auferlegen, schneller neue Arten hervorbringen. »Dadurch, dass sie immer neue Strategien entwickeln, um ihre Wirte zu täuschen, spalten sie sich ständig in verschiedene Linien auf«, sagt Langmore. Bereits kleine Verhaltensänderungen können dabei evolutionären Schritte beeinflussen. Bei Bronzekuckucken, die ihre Eier in die Nester mehrerer Singvogelarten aus der Gattung der Gerygonen legen, konnten die Forscher beobachten, dass die Eier und Küken der Kuckucksart in den Nestern von Elfengerygonen genetisch von jenen in den Nestern der Großschnabel-Gerygonen abweichen. »Obwohl es sich also um dieselbe Art und dasselbe Brutgebiet handelt, unterscheiden sie sich genetisch voneinander«, sagt Langmore.

Eine solche Trennung hat dann eine fortschreitende Spezifizierung zum Ergebnis. »Das führt zu einer hohen Artenbildungsrate in Linien mit virulenteren Brutparasiten, und mehr Speziation führt zu höherer Biodiversität«, sagt Dieter Ebert, Zoologe an der Universität Basel.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (24. Juni 2024 um 22:14 Uhr)
    Tschia, wenn der Klimawandel nicht wäre.... Es könnte sein, dass der Kuckuck sich nicht schnell genug anpassen kann und ausstirbt. »Trotz seiner geringen Habitatansprüche gilt der Kuckuck in vielen Ländern Europas als gefährdet: Europaweit hat der Kuckucksbestand um ein Drittel in den letzten 40 Jahren abgenommen!« (https://www.birdlife.at/blog/zugvogel-13/post/kuckuck-67) Der Kuckuck zieht nämlich aus seinen Winterquartieren zum Parasitieren zurück, wenn er die Tageslänge für passend hält. Die zu parasitierenden haben wegen der früher einsetzenden Wärme aber womöglich schon ihre Eier ausgebrütet, wenn er ankommt und er hat Pech. Die Biodiversität hätte mal wieder das Nachsehen: weniger Kuckuck, weniger Speziation. Alleine wegen der Bilder lohnt sich ein Blick auf die BirdLife-Seite. Ich bin zwar stolz auf meine Kuckucksbilder, die ich vor einer Woche an der Jammerbucht klicken konnte. Mit denen von BirdLife kann ich aber nicht mithalten.

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