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Aus: Ausgabe vom 27.06.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Stabroek-Ölfeld

Guyanas Weg zum Petrostaat

Exxon Mobil baut Ölförderung im Stabroek-Ölfeld aus. Verstärkter US-Einfluss schürt Spannungen zum Nachbarn Venezuela
Von Jörg Kronauer
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Überragt die Nachbarn bereits deutlich: Exxon-Mobil-Zentrale in Guyanas Hauptstadt Georgetown

Der US-Konzern Exxon ­Mobil baut seine Erdölförderung vor der Küste von Guyana weiter aus. Das Unternehmen bereitet ein siebtes Förderprojekt vor, das ab dem Jahr 2029 rund 180.000 Barrel pro Tag aus dem riesigen Stabroek-Feld nördlich des südamerikanischen Landes pumpen soll. Damit könne die Gesamtförderung auf fast 1,5 Millionen Barrel pro Tag gesteigert werden, berichtete Bloomberg – beinahe so viel, wie das OPEC-Mitglied Nigeria gegenwärtig produziere. Aus dem Ölfeld Starbroek können, soweit bekannt, mindestens elf Milliarden Barrel Erdöl gefördert werden. Es gilt mit reinen Produktionskosten von weniger als 35 US-Dollar pro Barrel als eines der profitabelsten jenseits des Mittleren Ostens. Guyana spielt für die Strategieplanung von Exxon Mobil somit eine zentrale Rolle.

Guyana, von dessen rund 800.000 Einwohnern fast die Hälfte in Armut lebt, droht zum Petrostaat zu werden. Mit den Erlösen der Ölförderung könnten zwar Bildungsprogramme und der Ausbau des Gesundheitswesens sowie der Infrastruktur bezahlt werden. Praktisch kommt bislang nicht viel bei der Bevölkerung an, während wegen des Booms in der Erdölindustrie die Mieten und die Lebensmittelpreise in die Höhe schnellen. Zugleich verbreiten sich Klagen über Korruption.

Zudem hat Exxon Mobil Guyanas Regierung in der Hauptstadt Georgetown beim Abschluss des grundlegenden Fördervertrags übers Ohr gehauen. 75 Prozent der Erträge gehen direkt an das vom US-Konzern geführte Förderkonsortium – zur »Kostendeckung« –, während Konsortium und Staat von den übrigen 25 Prozent je eine Hälfte erhalten. Doch begleicht Guyana aus seinem Teil noch die Steuern, die eigentlich das Konsortium zahlen müsste: Garant einer exorbitanten Gewinnmarge. Bei einem Umsatz von 11,25 Milliarden US-Dollar blieben 2023 stolze 6,33 Milliarden US-Dollar an Gewinn übrig, berichtete Reuters am Dienstag: Eine Marge von 56 Prozent – mehr als die 49 Prozent, die KI-Chipkonzern Nvidia erreicht habe.

Der rasante Ausbau der Stabroek-Ausbeutung schürt Spannungen zwischen Guyana und seinem westlichen Nachbarn Venezuela. Streitpunkt ist etwa das Gebiet Essequibo – rund drei Viertel des guyanischen Territoriums – das Venezuela beansprucht. Guyana muss sich, um seine Gebietshoheit zu rechtfertigen, auf Machenschaften der europäischen Kolonialmächte im 19. Jahrhundert stützen. Nach ­Auffassung Venezuelas gehört das Stabroek-Feld zu Essequibo. Könnte die Region unter seine Kontrolle kommen, würde Venezuela milliardenschwere ­Erträge kassieren: Für Guyana freilich ein ­katastrophaler Schlag.

Entsprechend nimmt Georgetown die Unterstützung, die Washington ihm seit geraumer Zeit anbietet, ­dankend an. Die Biden-Regierung lehnt Venezuelas ­Gebietsansprüche klar ab, will auch Exxon Mobil ­keinesfalls im ­Regen stehenlassen. ­Guyana erhielt deshalb sogar Aussicht auf militärische Unterstützung; zuweilen ist ­bereits von möglichen US-Militärstützpunkten auf guyanischem ­Territorium die Rede, wobei Georgetown dies bisher dementiert.

Guyana und Venezuela einigten sich inzwischen darauf, den Streit ohne Einmischung fremder Mächte, dafür aber unter Vermittlung lateinamerikanischer und karibischer Staaten zu lösen. So hat Guyana in jüngster Zeit angefangen, enger mit China zu kooperieren. Dessen gute Beziehungen zu Venezuela lassen es möglich scheinen, dass Beijing erfolgreich auf Ausgleich zwischen beiden Seiten drängt, was ohnehin in Chinas Interesse läge: Dem von Exxon Mobil mit einem Anteil von 45 Prozent geführten Konsortium, das Stabroek ausbeutet, gehört neben US-Unternehmen Hess (30 Prozent) auch die China National Offshore Oil Corporation mit 25 Prozent an.

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