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Aus: Ausgabe vom 13.07.2024, Seite 4 / Inland
Politische Fördergeldvergabe

»Verwirrte Gestalten«

Union stellt umfangreiche Anfrage zur »Fördergeldaffäre« um Bildungsministerin Stark-Watzinger
Von Annuschka Eckhardt
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Hat von nichts gewusst: Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (Berlin, 26.6.2024)

Mit Personalentscheidungen wird sie ihre Probleme nicht los: Bettina Stark-Watzinger. Die Bildungsministerin (FDP) steckt mitten in der sogenannten Fördermittelaffäre, und es ist kein Ende in Sicht. Nun nimmt die Union sie mit einer »kleinen« Anfrage in die Mangel – 100 Fragen soll Stark-Watzinger bis zum 25. Juli beantworten, wie am Donnerstag abend bekanntwurde. »Es muss jetzt endlich die Wahrheit auf den Tisch«, sagte der bildungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Thomas Jarzombek (CDU). Die Union will unter anderem wissen, wann Stark-Watzinger im Mai im Urlaub war, wer sie vertreten hat und mit wem sie wann über die fragliche Sache gesprochen hat.

Fördergeldvergabe nach politischer Gesinnung – wie alles begann: Im Mai wurde das Palästina-Camp der Freien Universität Berlin brutal geräumt, daraufhin solidarisierten sich zunächst über hundert Dozierende, Professoren und Beschäftigte von Hochschulen in einem offenen Brief mit den Studierenden des Camps und kritisierten Universitätsleitung und Polizei. Am 10. Mai erfolgte die Erstellung einer Liste der Unterzeichner, die in Verbindung zum Bildungsministerium stehen. Daraufhin sollte im Ministerium geprüft werden, ob ein Entzug von Fördergeldern bei den unliebsamen Hochschullehrern in Betracht komme. Ministerin Stark-Watzinger will davon laut eigener Aussage nichts gewusst haben, bis Medien darüber berichteten. Im Zuge dieser Fördergeldaffäre warf Stark-Watzinger ihre Staatssekretärin Sabine Döring raus und vergab den Posten an Roland Philippi, den bisherigen Leiter der Grundsatzabteilung.

Am Mittwoch veröffentlichte der Spiegel Einzelheiten aus einem geleakten internen Chat des Ministeriums, in dem Philippi als Scharfmacher in der Frage der Gesinnungsprüfung für Hochschulbeschäftigte erscheint. Philippi habe »ad hoc nix gegen« eine Art »informelle, ›freiwillige‹ und selbst auferlegte Antisemitismus-Klausel für unsere Förderung bei so manchen, verwirrten Gestalten«, zitiert ihn das Blatt. Auch die Ministerin war Mitglied des Chats, der laut einer Verfügung des Verwaltungsgerichts Köln nicht gelöscht werden darf. Stark-Watzinger führt den hessischen FDP-Landesverband, dem auch Philippi angehört, der intern laut Spiegel als »FDP-Parteisoldat« bezeichnet wird. Seine Ernennung dürfte die politischen Probleme der Ministerin also nicht lösen. Die entlassene ehemalige Staatssekretärin Döring klagt derweil vor dem Berliner Verwaltungsgericht gegen das Bildungsministerium. Demnach will sich Döring zu ihrer Rolle in der Angelegenheit öffentlich äußern, was das Ministerium jedoch mit Verweis auf die Verschwiegenheitspflicht auch von ehemaligen Beamten unter Androhung von disziplinarischen Maßnahmen untersagt haben soll.

»Dass aus dem Skandal um die Äußerungen Stark-Watzingers auf den berechtigten Brief der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler anlässlich der Räumung des Protestcamps an der FU Berlin unter Hinweis auf die Versammlungs- und Meinungsfreiheit inzwischen eine ›Fördergeldaffäre‹ werden konnte, ist zutiefst beunruhigend«, sagte Britta Rabe, politische Referentin beim Komitee für Grundrechte und Demokratie, am Freitag gegenüber junge Welt. Es müsse jetzt endlich Transparenz geschaffen und die Vertuschungsversuche Stark-Watzingers müssten aufgeklärt werden. »Ministerin Stark-Watzinger muss zurücktreten. Um überhaupt wieder Vertrauen aufzubauen, muss das Ministerium für Bildung und Forschung klarstellen, dass diese autoritären Methoden mit Wissenschaftsfreiheit und seinem Demokratieverständnis nicht vereinbar sind«, so Rabe.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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