3000 Abos für die Pressefreiheit!
Gegründet 1947 Montag, 5. August 2024, Nr. 180
Die junge Welt wird von 2880 GenossInnen herausgegeben
3000 Abos für die Pressefreiheit! 3000 Abos für die Pressefreiheit!
3000 Abos für die Pressefreiheit!
Aus: Ausgabe vom 13.07.2024, Seite 8 / Inland
Klimakrise und Kreuzfahrtschiffe

»Eine Landstrompflicht wäre ein guter erster Schritt«

Naturschutzbund kritisiert mangelnde Vorgaben für Reedereien großer Kreuzfahrtschiffe. Ein Gespräch mit Sönke Diesener
Interview: Gitta Düperthal
imago0246951024h.jpg
Die großen Schiffsmotoren werden traditionell mit Schweröl gefüttert. Protestaktion des NABU zum Hamburger Hafengeburtstag (5.5.2023)

Wegen des hohen Energieverbrauchs, des verursachten Mülls und der Emissionen stehen Kreuzfahrten in der Kritik. Am Montag hat die Aktionsgruppe »Smash Cruiseshit« die Kreuzfahrtschiffe »Aida Bella« und »Mein Schiff 7« am Auslaufen aus dem Kieler Hafen hindern wollen. Was halten Sie von solchen Aktionen zivilen Ungehorsams?

Der Nabu würde eine solche Aktion nicht wählen, um auf das Problem der Kreuzfahrt in der Klimakrise aufmerksam zu machen. Wie diese Aktionen rechtlich einzuordnen sind, müssen Gerichte klären. Weil diese Krise aber aktuell drängende Ausmaße annimmt, kann ich es verstehen, wenn Umweltaktivistinnen und -aktivisten die Nerven durchgehen. Protest ist nicht nur zulässig, sondern auch angebracht. Mit der Blockade der Ausfahrt einige Touristen zu verärgern, ist eine Möglichkeit für öffentliche Aufmerksamkeit zu sorgen. Will man aber Reedereien wie Aida und Tui aufrütteln, macht das wenig Sinn: Sie sind es bereits.

Die Kreuzfahrtindustrie will klimaneutrale Schiffahrt der Massenindustrie einerseits durch Landstrom gewährleisten, andererseits durch »synthetische Kraftstoffe, Brennstoffzellentechnologien und LNG-Schiffe«. Wie weit ist sie damit bislang vorangekommen?

Wenn in Rostock, Kiel und Hamburg Landstrom bereitsteht und genommen wird, ist das ein Erfolg – auch des Nabu. Manche Reedereien ignorieren das Problem noch, und in vielen Häfen gibt es noch gar keinen. Deshalb muss die Bundesregierung dahingehend konkretere Vorgaben machen. Mit synthetischen Kraftstoffen sowie Brennstoffzellentechnologien geht es sehr langsam voran. Containerschiffe fahren derzeit schon mit potentiell »grünem« Methanol. Da muss die Kreuzfahrt sich sputen, damit sie auch angetrieben mit regenerativen Energien fahren kann. Sicher ist, dass wir 2030 die erste klimaneutrale Kreuzfahrt sehen werden.

Allerdings: Kreuzfahrten sind eine Freizeitaktivität. Es kann nicht sein, dass sie als solche hinter anderen Branchen zurücksteht. LNG (Liquified Natural Gas – Flüssigerdgas, jW) als schadstoffarmen Treibstoff in der Schiffahrt zu diskutieren, ist richtig in bezug auf die Luftqualität. Das dabei entweichende Methan ist jedoch ein Klimakiller.

Ist diese Form des Massentourismus angesichts der Klimakrise und Umweltschäden zukunftsfähig?

Kreuzfahrt ist energieintensiv und beruht auf fossilen Treibstoffen. Diese Industrie ist eines der ersten Dinge, das man hinterfragen kann, wenn es darum geht, worauf wir verzichten müssen beim Konsum. Kreuzfahrtschiffe sind aber an sich effiziente Systeme und verbrauchen vergleichsweise wenige Ressourcen, sei es Fläche oder auch Wasser. Pro Gast fällt dort zum Beispiel deutlich weniger Plastik an, als würde sich dieser etwa individuell versorgen. Wenn wir also die Transformation geschafft haben, wenn klima- und umweltfreundliche Kreuzfahrten bereitstehen, spricht aus Umweltsicht wenig dagegen. Zumal man auch den Vergleich zu anderen Reiseformen ziehen könnte: Würde der Gast statt dessen nach Mallorca oder Ägypten fliegen, übernachtete in einem schlecht gedämmten Hotel, wäre die Klimabilanz nicht besser.

Der Weltreederverband ICS will die Branche bis 2050 klimaneutral machen. Reicht das als Zielmarke?

Zumindest nicht für Deutschland. Wir haben hier ein Klimaschutzgesetz, das Klimaneutralität bis 2045 festschreibt. Dies würden wir auch von deutschen Kreuzfahrtreedereien erwarten und von den Schiffen, die in deutsche Häfen fahren. Eine Landstrompflicht wäre ein guter erster Schritt.

Die International Maritime Organization der Vereinten Nationen legt weltweit verbindliche Regeln für die Schiffahrt fest. Bis 2030 beziehungsweise 2040 gibt sie vor, die Emissionen um mindestens 20 Prozent beziehungsweise mindestens 70 Prozent zu verringern. Angestrebt seien 30, respektive 80 Prozent: jeweils der wirtschaftlichen und geografischen Lage unterschiedlicher Länder angemessen.

Sönke Diesener ist Schiffahrts­experte beim Naturschutzbund (Nabu) ­Bundesverband

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren. Denn nicht allen lernen die junge Welt kennen, da durch die Beobachtung die Werbung eingeschränkt wird.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!