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Aus: Ausgabe vom 13.07.2024, Seite 8 / Ansichten

Volksabstimmung jetzt

US-Langstreckenwaffen in Deutschland. Gastkommentar
Von Sevim Dagdelen
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Entladung eines »Tomahawk«-Marschflugkörpers von einem US-U-Boot (1.2.2022, Polaris Point)

Der selbsternannte »Führer der Welt« US-Präsident Joe Biden (»Ich regiere die Welt«) verwechselt auf dem NATO-Gipfel Wolodimir Selenskij mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, wenig später spricht er auf einer Pressekonferenz vom »Vizepräsidenten Trump«. Alle Welt weiß inzwischen, dass Joe Biden nicht mehr zurechnungsfähig ist. Alle Welt? Nein, nicht so der deutsche Bundeskanzler. Olaf Scholz lobt Biden sogar »für seine Führungsstärke«. Abgesehen von der Frage, wer eigentlich in Washington über die NATO-Strategie der Eskalation in der Ukraine und der Expansion nach Asien entscheidet – Joe ­Biden kann es nicht sein –, gilt es festzustellen, dass man über das Verhältnis zwischen den USA und den anderen NATO-Staaten nicht mehr wissen muss. Kanzler Scholz ist ein treuer, willfähriger Vasall, der frei nach Hans Christian Andersen bereit ist, von den wunderschönen Kleider des nackten Kaisers zu schwärmen. Dieser Klientelismus aber gehört zum Kern der NATO. Eine souveräne Entscheidung über die eigene Außen- und Sicherheitspolitik gibt es offenbar nicht. Ohne jede öffentliche Diskussion hat Scholz die Vorgabe aus Washington abgenickt, US-Langstreckenraketen, die Moskau erreichen können, auf deutschem Boden zu stationieren. Die USA setzten darauf, die NATO-Verbündeten ins Feuer zu schicken, und die Berliner Ampel bejubelt dieses apokalyptische Szenario auch noch.

Die USA sind bereit, die Atommächte Russland und China in unmittelbarer Nachbarschaft herauszufordern und damit die ganze Welt anzuzünden. Eine Kuba-Krise globalen Ausmaßes droht. In führenden außenpolitischen Zeitschriften der USA wird offen über den notwendigen Dreifrontenkrieg gegen Russland, China und im Nahen Osten diskutiert. Ein Sieg, so die Einschätzung dort, kann nur errungen werden, wenn der Zugriff auf die Ressourcen der NATO-Mitglieder verstärkt wird und mittels bilateraler Verträge eine De-facto-Ausdehnung nach Asien organisiert werden kann.

Oft begegnet man in Deutschland Leuten, die nicht wahrhaben wollen, welches Aggressionspotential hier mobilisiert wird, und die nicht sehen wollen, wo die entscheidenden treibenden Kräfte für diese Entwicklung liegen. US-Präsident Dwight D. Eisenhower hatte in seiner Abschiedsrede vor dem militärisch-industriellen Komplex in seinem Land gewarnt. Allein, die drei großen Investmentgesellschaften Blackrock, Vanguard und State Street kontrollieren heute nicht nur die US-amerikanische Rüstungsindustrie. Krieg ist ihr bestes Geschäft.

In Deutschland gilt es, Frieden, Demokratie und Souveränität diesen Mächten abzuringen. Eine Volksabstimmung über die Stationierung von US-Langstreckenraketen wäre ein erster Schritt.

Sevim Dagdelen ist außenpolitische Sprecherin der BSW-Gruppe im Bundestag und Obfrau im Auswärtigen Ausschuss

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  • Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (13. Juli 2024 um 02:37 Uhr)
    »Eine Volksabstimmung über die Stationierung von US-Langstreckenraketen wäre ein erster Schritt.« Bei aller Wertschätzung für Sevim Dagdelen: Warum in einer solchen Frage solch eine wachsweiche Formulierung? Wenn etwas, was in den 1980er Jahren Hunderttausende auf die Straße brachte, jetzt von einem Kanzler auf Abruf ohne Bundestagsbeschluss einfach abgenickt werden kann, wenn Massendemos dagegen ausbleiben, dann ist höchste Eile und sofortige Initiative in der Frage der Raketenstationierung geboten. Es muss heißen: »Das BSW fordert eine Volksabstimmung dazu sowie zum Austritt Deutschlands aus der NATO und leitet sofort dazu die vorbereitenden Schritte ein.« Vorsicht, das würde ja schon wieder Wählerstimmen »aus der Mitte« kosten. Dies gilt umso mehr, als die Deutschen offenbar keine Lust mehr haben, im Stil der 1980er Jahre, gegen Raketen großer Reichweite auf deutschem Boden zu demonstrieren. Selbst eine gescheiterte Volksabstimmung würde wenigstens Klarheit darüber schaffen, was die Deutschen wollen. Die große Mehrheit müsste ja spätestens seit dem Kaiserreich und dem »Dritten Reich« wissen, welche Propaganda, ja Hetze gegen andere Staaten und welche Hochrüstung in beiden Fällen zum Weltkrieg geführt hat. Es gibt über das Internet genügend alternative Medien(dazu gehören auf Umwegen auch russische Medien), wo anders als zu Zeiten von Goebbels jeder, der Interesse für vielseitige Information hat, diese auch bekommen kann. Wer es nicht tut, den interessiert die Gefahr nicht. Trotz zugezogener Gardinen hätte jeder, der sich 1 + 1 zusammen zählen kann, bereits unter Hitler über die meisten Verbrechen informiert sein können. Sie wollten (!) es einfach nicht wissen. Alle Verbrechen von NATO Staaten seit 1949 sind bekannt. Wer sich von dieser Organisation dennoch geschützt fühlt (die Mehrheit in Deutschland) kann hinterher nicht erneut sagen: »Aber davon haben wir nichts gewusst«.
  • Leserbrief von Holger K. aus Frankfurt (12. Juli 2024 um 22:44 Uhr)
    Der dauergrinsende Famulus, jener mit den kleinen Äuglein, hat sich mal wieder als tapferer Abnicker vom Dienst erwiesen. Nun das ist halt so sein Markenzeichen, nämlich dämlich grinsen und Washingtons Anweisungen in einer wahren Nibelungentreue bekräftigen. Was gönnt er sich ansonsten noch? Nun ein gerütteltes Maß an Vergesslichkeit, nämlich dann, wenn es für ihn brenzlig wird. Mehr gibt es zu dieser Charaktermaske mit all seinen Phrasen, vorgetragen mit säuselnder Stimme – »sorgsam sei alles abgewogen« – nicht zu sagen.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (12. Juli 2024 um 21:44 Uhr)
    Ich verstehe die Argumentation nicht ganz. Die beiden Helmuts der 80er Jahre haben genauso unverantwortlich gehandelt wie der Olaf heute. Der Unterschied: Damals sind viele Menschen auf die Straße gegangen und haben dagegen protestiert. Sie hatten verstanden, was abgeht (zumindest viele, viele waren auch damals schon äquidistant, was heute vielfach vergessen wird). Die amerikanische Strategie (Krieg ist führbar) hat sich seither nicht verändert. Der Enthauptungsschlag wird klandestin vorbereitet: Mal ein Schiff da, eine Radaranlage dort, ein Flugzeug hier »herausgenommen«, gleichzeitig Aufklärung der russischen Kommandostrukturen aus der Luft und dem Orbit, Minen in der Ostsee, Truppenstationierung/Manöver nahe Murmansk. Welche Indikatoren sind noch nötig?

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