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Aus: Ausgabe vom 13.07.2024, Seite 8 / Ansichten

Namenspatron des Tages: Silvio Berlusconi

Von Daniel Bratanovic
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Der größte Narzisst Italiens gibt auch 13 Monate nach seinem Ableben keine Ruhe und sorgt noch aus der Gruft dafür, dass man sich seiner fortwährend erinnert (Mailand, 14.5.2007)

So schnell wird die Welt ihn nicht los. Der größte Narzisst Italiens gibt auch 13 Monate nach seinem Ableben keine Ruhe und sorgt noch aus der Gruft dafür, dass man sich seiner fortwährend erinnert, indem Großbauten seinen Namen tragen sollen. Kritiker des gebürtigen Milanesen Silvio Berlusconi werden sich fragen: Hätte man ihn denn nicht würdiger ehren können? Vielleicht, indem man ein Kosmetikstudio oder einen Waschsalon oder eine Deponie nach ihm benannt hätte? Matteo Salvini, Italiens amtierender Verkehrsminister von der Lega Mord, war da anderer Meinung und erwies seinem Freund einen allerletzten Gefallen. Mit seiner Verfügung heißt Mailands wichtigster Flughafen Malpensa ab sofort Aeroporto Silvio Berlusconi.

Dagegen war zuvor protestiert worden. Das linke und liberale Bürgertum in Mailand hatte empört reagiert, eine Initiative gegen die Umbenennung gegründet und mehr als 100.000 Unterschriften gesammelt. Italien habe einen Ruf zu verlieren. Im Zweifel, soll das heißen, geht es immer um den Leumund einer Nation. Aber ist der denn ernsthaft ramponiert, bloß weil eine Verkehrsdrehscheibe nach einem notorisch kriminellen Staatsmann benannt wird? Nach einem früheren Nachtclubentertainer und Staubsaugervertreter, der in dieser Rolle eine für den Politikbetrieb entscheidende Fertigkeit erworben haben dürfte – dass man so einem nämlich noch die infamste Lüge abkauft? Warum nicht einfach positiv wenden? Berlusconi, der sagenhafte Selfmademilliardär, ist die Verkörperung des bürgerlichen Aufstiegsversprechens. Berlusconi, das ist Avantgarde: Der Mailänder Entrepreneur ist der frühe Prototyp heutiger Politikerfiguren der Sorte Trump, Orbán, Wilders. Mailänder Bürger, macht euch ehrlich: Berlusconi, das ist der Repräsentant eurer eigenen Verfallsgeschichte. Nach so einem darf man auch mal einen Flughafen benennen.

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  • Leserbrief von Holger K. aus Frankfurt (12. Juli 2024 um 22:38 Uhr)
    Der Unterschied zwischen dem jetzigen politischen Gebaren innerhalb Italiens und dem kaiserlich-antiken Rom ist folgender: Einige römische Kaiser schwelgten in einem Größenwahn, der auch dann Cäsarenwahn genannt wurde. Er zeigte sich u. a. in der Errichtung ihrer Kolossalbauten, die nach ihnen benannt wurden. Das geschah bereits zu deren Lebenszeit. Nun aber müssen Größenwahnsinnige, so z. B. in Italien der Neuzeit, erst warten, bis sie futsch sind, bevor Großbauten nach ihnen benannt werden. Ob das so bleibt, wird sich allerdings noch zeigen.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (12. Juli 2024 um 21:58 Uhr)
    Als Materialist kann ich nicht akzeptieren, dass einer, der sich in den Kohlenstoffkreislauf eingereiht hat, angeblich keine Ruhe gibt. Voll zustimmen kann ich der Schreibung »Lega Mord«. Kritisiert werden muss der Rechtschreibfehler »Narzisst«, da ist ein r, zwei s und ein t zuviel. Außerdem: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert!

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