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Aus: Ausgabe vom 13.07.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Klimakatastrophe

China senkt CO2-Ausstoß

Solarrevolution, »grüner« Stahl, E-Mobilität, Wind- und Wasserkraft: Volksrepublik könnte Wendepunkt bei Emissionen erreicht haben
Von Wolfgang Pomrehn
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Neue Anlagen mit 216 Gigawatt Leistung im vergangenen Jahr (Solarkraftwerk in Jiuquan)

In China mehren sich die Anzeichen, dass das Land den Höhepunkt seiner Treibhausgasemissionen erreicht haben könnte. Das wäre sechs Jahre vor dem Datum, zu dem sich die Volksrepublik in den internationalen Klimaverhandlungen verpflichtet hat. Wie es aussieht, beginnt Chinas fulminante Solarrevolution Früchte zu tragen. Im zurückliegenden Mai sank im Land der Mitte der Anteil der Kohlekraftwerke an der Stromversorgung auf ein Rekordtief von 53 Prozent. Das geht aus einer am Donnerstag veröffentlichten Analyse des finnischen Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA) hervor und ist um so bemerkenswerter, da der Bedarf an elektrischer Energie weiter gestiegen ist. Im Mai 2024 lag er um 7,4 Prozent über dem Niveau des Vorjahres. Da die Stromerzeugung in zentralen Kraftwerken sowie großen Solar- und Windparks in dieser Zeit nur um 2,4 Prozent zulegte, muss das Gros des Wachstums von neuen, kleinen und dezentralen Solaranlagen abgedeckt worden sein.

Auch die Stromerzeugung in Gaskraftwerken ging im Mai im Vergleich zum Vorjahr zurück, wie der Analysedienst Carbon Brief berichtete. Insgesamt habe der CO2-Ausstoß des Kraftwerksektors gegenüber Mai 2023 um 3,4 Prozent abgenommen. Daten des Nationalen Büros für Statistik in Beijing zeigen zudem, dass die heimische Kohleförderung seit Beginn des Jahres rückläufig ist, während die Kohleimporte leicht zugelegt haben. Da China hier bisher weitgehend Selbstversorger ist und erklärtermaßen grundsätzlich versucht, sich von Energieimporten möglichst unabhängig zu machen, ist diese Entwicklung eventuell ein weiterer Hinweis auf den einsetzenden Strukturwandel in der Stromversorgung.

Die Volksrepublik hatte, wie zuvor in jW berichtet, im vergangenen Jahr Solaranlagen mit einer Gesamtleistung von 216 Gigawatt neu ans Netz angeschlossen. In den ersten vier Monaten 2024 kamen nach CREA-Angaben weitere 60 Gigawatt hinzu, was gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres noch einmal ein Zuwachs von 25 Prozent war. Zum Vergleich: Je nach Standort können Solaranlagen mit einer Leistung von sechs bis sieben Gigawatt in einem Jahr soviel Strom wie ein modernes Atomkraftwerk erzeugen. Anders als ein AKW speisen Solaranlagen aber nicht gleichmäßig ins Netz ein, sondern nur tagsüber und im Sommer meist deutlich mehr als im Winter.

Deshalb müssen sie mit anderen Erzeugern und Speichern kombiniert werden. Windkraftanlagen, die in China ebenfalls im hohen Tempo gebaut werden, liefern im Winter mehr Strom als im Sommer und sind darum eine gute Ergänzung zur Erzeugung von Solarstrom. Wasserkraftwerke schließlich, über die China ebenfalls reichlich verfügt, sind besser steuerbar als Sonne und Wind. Mit ihnen können Versorgungslücken ausgeglichen werden, sofern es genug regnet. 2022 und 2023 war die Energieerzeugung in den Wasserkraftwerken wegen zu geringer Niederschläge hinter den Erwartungen zurückgeblieben. In diesem Jahr kann davon angesichts rekordverdächtiger Überschwemmungen keine Rede sein. Im Mai 2024 lieferten Chinas Wasserkraftwerke gut 38 Prozent mehr Strom als im Mai 2023.

Zu diesen Nachrichten passt, dass 2024 bisher kein einziger Neubau eines mit Koks arbeitenden Stahlwerks genehmigt wurde, wie CREA ebenfalls berichtet. Die Branche ist neben den Kraftwerken Chinas zweitgrößte CO2-Quelle. Zugelassen wurden lediglich neue Elektrostahlwerke, die Stahl mit elektrischer Energie aus Schrott erzeugen. Auch aus Erz lässt sich Roheisen ohne CO2-Emissionen herstellen. Die auf Wasserstoff basierende Technologie ist allerdings noch nicht sehr weit verbreitet.

Unterdessen tut sich auch auf Chinas Straßen Bemerkenswertes: Im Mai waren bereits 40 Prozent aller in China produzierten Fahrzeuge Elektroautos oder -busse. Inzwischen gibt es Abwrackprämien, wenn Menschen ihren alten Wagen aufgeben und dafür ein Elektrofahrzeug kaufen. Entsprechend ging im April und Mai erstmals seit längerem in den Raffinerien des Landes die Verarbeitung von Rohöl zurück, was vermutlich auf abnehmenden Kraftstoffverbrauch hindeutet. Benzin- und Dieselfahrzeuge sind auf dem weltgrößten Kfz-Markt eindeutig Auslaufmodelle.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Carsten G. aus Leipzig (13. Juli 2024 um 17:04 Uhr)
    Lieber Herr Pomrehn, sehr gern lese ich Ihre informativen und kenntnisreichen Artikel über den Wahnsinn der internationalen Klimapolitik. Noch lieber würde ich das lesen, wenn Sie die beiden Begriffe Bedarf und Verbrauch ihrem Sinn entsprechend einsetzen würden. In diesem Satz »da der Bedarf an elektrischer Energie weiter gestiegen ist« ist einfach vom Verbrauch die Rede.

Dieser Artikel gehört zu folgenden Dossiers:

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