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Aus: Ausgabe vom 13.07.2024, Seite 14 / Leserbriefe

Aus Leserbriefen an die Redaktion

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»Furchtbarer Jurist«

Zu jW vom 9.7.: »›Die falsche Person ist ­angeklagt‹«

Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch … Danke für die Geschichtsstunde in Sachen Nazijägerin Beate Klarsfeld und die damals sehr umtriebige BRDigungsjustiz, in deren Reihen sich bis zur Pensionsgrenze noch viele ehemalige NS-Juristen tummelten und tonangebend waren. Übrigens wurde in Westdeutschland keiner dieser ehemaligen NS-Juristen je verurteilt, und ich erinnere hier an den damaligen NS-Juristen (Marinerichter) und Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Hans Filbinger (CDU), der sich auf dem Gipfel der Filbinger-Affäre zu der öffentlichen Aussage veranlasst sah: »Was damals rechtens war, kann heute nicht Unrecht sein!«

Im Februar 1978 nahm die Affäre mit Filbingers Unterlassungsklage gegen den Dramatiker Rolf Hochhuth ihren Anfang, der ihn öffentlich als »furchtbaren Juristen« bezeichnet hatte. Erst seit der deutschen Wiedervereinigung geriert sich die Siegerjustiz der BRD als antifaschistisch, davor hat man alle relevanten NS-Fälle verschleppt oder eingestellt und notfalls milde bestraft – siehe dazu exemplarisch den Frankfurter Auschwitz-Prozess. Gleichzeitig hat man sich in Westdeutschland seit den 50er Jahren mittels »Wiedergutmachungszahlungen« an Israel freigekauft und tut dies noch heute mit Waffenlieferungen in Kriegsgebiete an Unrechtsstaaten – zu denen ich Israel rechne! Wir leben also im 21. Jahrhundert in fruchtbaren faschistischen Zeiten!

Frank-Reg. Wolff, z. Zt. Prag

Vorlage nicht genutzt

Zu jW vom 9.7.: »Keine Kompromisse mehr«

Bei dem Artikel zur »Wahlanalyse« des Vorstandes der Partei Die Linke frage ich mich, ob diese Personen etwas verstanden haben? Ist es Ignoranz, Arroganz oder Dummheit?

Als ehemaliger Linke- und jetzt »rechter« BSW-Wähler stand für mich die Friedensfrage nicht im Zentrum meiner Entscheidung, obgleich auch hier die Partei sich sehr ambivalent gegenüber Waffenlieferungen, klarer Aussagen zur Diplomatie usw. verhält, sowohl im Russland/Ukraine- als auch im Israel/Palästina-Konflikt. Für die Menschen in dieser Republik und für mich als Lohnabhängiger sind jedoch andere Fragen von noch größerer Wichtigkeit: Gesundheit und Pflege, Bildung, soziale Sicherheit und bezahlbarer Wohnraum. Bei letzterem Thema hat sich die Partei nach der letzten Berlin-Wahl von mir als Wähler verabschiedet.

Als einzige Partei (außer einigen versprengten Grünen und Sozialdemokraten) den Volksentscheid zur Vergesellschaftung profiorientierter Wohnungsunternehmen zu unterstützen, dann eine riesige Zustimmung einzufahren, um sich in eine »rot-grün-rote« Koalition zu begeben, wo man das Stadtentwicklungsressort zugunsten der Justiz (?) abgibt, um dann der Einsetzung einer »Expertenkommission« zuzustimmen (die am Ende zum Ergebnis kommt, dass Vergesellschaftung möglich ist), war aus meiner Sicht rückgratlos, statt die Vorlage zu nutzen.

Es ist eben so, wer lieber gendert oder sich über Unisextoiletten Gedanken macht, statt die o. g. Politikbereiche zu bearbeiten, wird überflüssig. Zumal mit Frau Schubert oder Herrn Schirdewan nun auch nicht gerade – mit Verlaub aus meiner Sicht – Sympathieträger die Partei repräsentieren. Die davon auszunehmenden Herren Bartsch und Gysi wissen anscheinend noch, dass Die Linke aus der Tradition der Arbeiterbewegung kommt, sind jedoch ohne den nötigen Einfluss. Wenn Die Linke nicht wieder klare Politik für die Menschen macht, mit Aussagen, zu denen sie dann auch steht bei »Gegenwind«, wird sie sich leider entbehrlich machen.

Jürgen Esbold, Berlin

Gefährderansprache nötig?

Zu jW vom 8.7.: »Nachschlag: junge Welt ­anzapfen?«

Wie das alles anfing, liegt lange zurück. »Dieses Buch wurde am 24.11.75 beschlagnahmt und wird jetzt trotz des Verbotes von folgenden Personen und Verlagen neu herausgegeben.« Es folgt eine wirklich beeindruckende Namensliste, beginnend mit Prof. Wolfgang Abendroth, Cohn-Bendit bis Gerhard Zwerenz. Den Titel nenne ich nicht. Eine Aufstellung verbotener Bücher und Zeitschriften der Nachkriegszeit wäre in der Lage, die alte Bundesrepublik als völlig hysterisch und humorlos zu entlarven. Immerhin findet man die Schülerzeitung Radikalinski zu einem Stückpreis um 200 Euro im Antiquariat. Vieles wie Extra-Dienst, Charlie kaputt, 883, Fizz und zahllose, damals bewusst auf Nettikette verzichtende, Schweine auch so nennende, Medien waren verboten. Demokratie fördernd waren sie im »Untergrund« (in DDR-Deutsch Bückware) trotzdem erhältlich.

Prägend in Erinnerung blieb mir mein Rausschmiss bei der Berufsschule für das graphische Gewerbe wegen Tragens zweier Button »Make Love Not War« und »Antiatomrune«. Gerade, weil in der ersten Stunde das Grundgesetz auf Grund gesetzt wurde. Jeder hat das Recht seine Meinung in Wort, Schrift und Bild … Das galt damals nicht für Lehrlinge. Später kam eine Zugabe des Senders Freies Berlin, wo sich drei Hausjuristen mit der verantwortlichen Redakteurin stritten, ob man das Schlagen von Lehrlingen in einem Fleischerladen (ohne Namensnennung) erwähnen durfte. Durfte man nicht, daraufhin betrat kein Vertreter der Schüler- und Lehrlingsbewegung mehr das SFB-Studio, wo die Sendung »Wir um 20« (vergleichbar 1199) produziert wurde.

Liebe jW-Journalisten erhaltet ihr eigentlich vor Andruck eine Gefährderansprache? Ihr hättet einen Anspruch. Das Recht wäre auf eurer Seite, und ich meine, es würde euch höllische Freude bereiten, den Sermon auf Tik Tok zu verbreiten. Schließlich steht der Vorwurf »Intensivtäter« im Raum. Etwas Ähnliches würde ich auch für ­Radio Dreyeckland und alle freien Radios empfehlen. Das könnte man als O-Ton jeder Sendung voranstellen.

Peter Groß, Bodenseekreis

Erst seit der deutschen Wiedervereinigung geriert sich die Siegerjustiz der BRD als antifaschistisch, davor hat man alle relevanten NS-Fälle verschleppt oder eingestellt und notfalls milde bestraft.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!