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Aus: Ausgabe vom 17.07.2024, Seite 2 / Inland
Staat und Medien

Vereinsgesetz gegen Compact

Innenministerin nimmt rechtes Magazin aus dem Spiel
Von Nico Popp
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Polizisten durchsuchen am Dienstag in Falkensee bei Berlin das Haus von Compact-Herausgeber Jürgen Elsässer

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat am Dienstag die Compact-Magazin GmbH und die Conspect-Film GmbH verboten. Damit darf auch das auflagenstarke rechte Magazin Compact, gegen das sich das Verbot politisch richtet, nicht mehr erscheinen. Faeser sprach von einem »Signal«: »Wir lassen nicht zu, dass ethnisch definiert wird, wer zu Deutschland gehört und wer nicht.« In der Stellungnahme des Bundesinnenministeriums zum Verbot hieß es weiter, Compact verbreite »antisemitische, rassistische, minderheitenfeindliche, geschichtsrevisionistische und verschwörungstheoretische Inhalte« und propagiere ein »völkisch-nationalistisches Gesellschaftskonzept«.

Es sei zu befürchten, dass »Rezipienten der Medienprodukte« durch die Veröffentlichungen, »die auch offensiv den Sturz der politischen Ordnung propagieren, aufgewiegelt und zu Handlungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung animiert werden«. Mit Blick auf die rechtliche Grundlage betonte das Ministerium, dass auch Unternehmen »unter bestimmten Voraussetzungen durch Vereinsverbote verboten« werden könnten. Das Ministerium bezeichnete die Unternehmen als »Organisationen«. Am frühen Morgen durchsuchten Polizisten Wohnungen und Liegenschaften in Brandenburg, Hessen, Sachsen und Sachsen-Anhalt.

Compact-Chef Jürgen Elsässer sprach von einem ungeheuerlichen Eingriff in die Pressefreiheit durch ein »undemokratisches Regime, wie es das SED-Regime war«. Rückendeckung erhielt er von der AfD: Die Parteivorsitzenden Tino Chrupalla und Alice Weidel schrieben in einer gemeinsamen Mitteilung, das Verbot sei »ein schwerer Schlag gegen die Pressefreiheit«.

Kritik an der Vorgehensweise Faesers kam indes auch von anderer Seite. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) erklärte, das Vereinsrecht könne nicht »als Hilfskonstruktion zum Verbot von Medien dienen«. Der Rechtsanwalt David Werdermann (Gesellschaft für Freiheitsrechte) nannte das Verbot des »Hetzblatts« beim Kurznachrichtendienst X »wahrscheinlich rechtswidrig« und konstatierte ebenfalls einen Missbrauch des Vereinsgesetzes. Zudem habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass erst gegen konkrete Beiträge vorgegangen werden müsse, »bevor ein ganzes Medium plattgemacht wird«.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

  • Leserbrief von Hans-Henning Adler (22. Juli 2024 um 14:27 Uhr)
    Natürlich ist die Zeitung Compact fürchterlich und enthält wahrscheinlich auch Artikel, die mit den Grundgedanken des Grundgesetzes nicht vereinbar sind. Dagegen vorzugehen, geht aber nur mit rechtsstaatlichen Mitteln.

    Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat mit ihrem Verbot der Zeitschrift Compact gezeigt, dass sie das Grundgesetz entweder nicht kennt oder bewusst missachten will. Dort ist nämlich eindeutig geregelt, unter welchen Voraussetzungen nach Art. 9 Abs. 2 eine Vereinigung verboten werden kann, und weiter in Art. 21, unter welchen Voraussetzungen eine Partei verboten werden oder von der Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden kann, und schließlich in Art. 18, welche Grundrechtseinschränkungen eine Person in Kauf nehmen muss, wenn sie die Pressefreiheit zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht. Dann kann eine Verwirkung des Grundrechts auf Pressefreiheit eintreten, die ein Verbot der Herausgabe einer Zeitung zur Folge hätte. In Art. 18 steht aber auch, dass ein so schwerwiegender Eingriff in die Pressefreiheit nur durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen werden kann.

    Eine Bundesinnenministerin, die das im Grundgesetz nicht nachlesen kann oder will und sich statt dessen die Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts anmaßt, sollte zurücktreten.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (16. Juli 2024 um 23:31 Uhr)
    Das Vereinsrecht ist offenbar ein recht brauchbares Mittel. Gegen »linksunten.indymedia« wird es relativ erfolgreich eingesetzt. Wie spricht der Volksmund: Wo kein Kläger, da kein Richter. Und wenn schon Kläger, dann (manchmal) noch lange kein Richter und meistens viele Instanzen. Da muss der Staat nicht mehr viel beweisen, dass er rechts ist. Zur Qualität seiner politischen Bildung möchte ich mich nicht weiter äußern.