Türkische Armee rückt vor
Von Tim KrügerDie türkische Armee setzt ihre Invasion im Nordirak ohne Unterbrechung weiter fort. Auch in den vergangenen Tagen verlegten die türkischen Streitkräfte schweres Gerät und gepanzerte Fahrzeuge in die Bergregionen nahe der türkisch-irakischen Grenze. Während sich die genaue Stärke der Truppen nicht ermitteln lässt, kursieren in den sozialen Netzwerken Amateuraufnahmen, welche die türkischen Konvois bei ihrem Vormarsch in den Nordirak zeigen sollen.
In der Nacht zum Montag marschierten erneut türkische Truppen durch die Kleinstadt Amêdî (Amedije) im Irak und bezogen am Ortseingang Stellung. Die auf einem Hochplateau gelegene Ortschaft liegt an einer strategisch entscheidenden Schnittstelle zwischen dem umkämpften Metîna-Massiv und dem Garê-Gebirge. Die verstärkte Truppenkonzentration im Norden des als wichtiges Stützpunktgebiet der Volksverteidigungskräfte (Hêzên Parastina Gel, HPG) geltenden Gebirgszuges lässt den Schluss zu, dass sich der Hauptstoß der türkischen Sommeroffensive gegen Garê richten wird.
Zum ersten Mal erreichten die Gefechte in der Nacht zum Montag auch den Stadtrand von Amêdî. So ist es laut Medienberichten nach einem Überfall der Guerilla auf einen türkischen Militärkonvoi nahe dem Eingang der Stadt zu mehrere Stunden andauernden Auseinandersetzungen gekommen. Türkische Kampfflugzeuge und Helikopter nahmen demnach die Umgebung Amêdîs unter Beschuss. Laut der Beobachtungsstelle Community Peacemaker Teams (CPT) sind seit Beginn der jüngsten Angriffe mindestens 6.500 Hektar Wald- sowie Ackerflächen infolge der Bombardements und des Artilleriefeuers in Flammen aufgegangen. »Wir haben alles im Feuer verloren. Was wir erleben, ist ein neues Anfal«, erklärte Tahir Sadik, ein älterer Anwohner im Gouvernement Dihok, am Sonnabend gegenüber der südkurdischen Nachrichtenagentur Rûdaw. »Anfal« war eine verheerende Offensive der Baath-Regierung unter Saddam Hussein im Jahr 1988 gegen Südkurdistan.
Mindestens 602 Dörfer in den umkämpften Gebieten stehen laut CPT vor einer Entvölkerung. Besonders die Luftangriffe der türkischen Armee treffen immer wieder zivile Siedlungsgebiete. Mehr als 1.076 solcher Angriffe wurden seit Beginn dieses Jahres bis zum 1. Juli in der Autonomieregion Kurdistan im Irak registriert. Angesichts der Ausmaße der aktuellen Angriffe und der Verlegung von Panzern und schwerem Gerät in die Städte der Region wird befürchtet, dass es der türkischen Führung nicht um die vorgebliche »Sicherung der Grenzregion« geht, sondern dass sich hinter der geplanten 35 bis 40 Kilometer breiten »Sicherheitszone« die Idee einer langfristigen Besatzung verbergen könnte. Der Dachverband der kurdischen Befreiungsbewegung, die »Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans« (Koma Civakên Kurdistan, KCK), warnte bereits Ende Juni davor »dass die türkische Besatzung (…) in eine Annexion übergeht.«
Bei der Abschlusszeremonie einer Militärakademie in Istanbul am Sonnabend schwor der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan die Kadetten auf einen baldigen Sieg ein. Mit Blick auf den Norden Syriens und den Nordirak sprach Erdoğan von noch »fehlenden Punkten« im »Sicherheitsgürtel«, welche schon bald geschlossen werden würden. Angesichts des heftigen Widerstands der HPG dürfte sich dies schwieriger gestalten, als Erdoğan seine jungen Offiziere hat glauben lassen. So veröffentlichte die Pressestelle der Guerilla am 12. Juli ein Video, welches den Abschuss eines türkischen »Black Hawk«-Helikopters über dem Großen Zab zeigen soll. Auch eine Kampfdrohne soll von den jüngst gebildeten Luftverteidigungseinheiten der Guerilla abgeschossen worden sein.
Während eine Ausweitung der Offensive auf das für die kurdische Freiheitsbewegung elementare Garê-Gebirge immer wahrscheinlicher wird, wächst im Irak der Widerstand gegen die Besatzungspläne. So folgten am Montag in der Hauptstadt Bagdad Hunderte dem Aufruf der Kommunistischen Partei des Landes und protestierten gegen die türkische Militäroperation sowie das Schweigen der irakischen Zentralregierung. Der Generalsekretär der Partei bezeichnete das Vorgehen »als Verletzung der irakischen Souveränität« und forderte die Regierung auf, »Haltung zu zeigen«.
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