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Aus: Ausgabe vom 17.07.2024, Seite 15 / Antifaschismus
»Der III. Weg« in Berlin

Üben für den Straßenkampf

Berlin: Neonazipartei »Der III. Weg« trainiert in öffentlicher Parkanlage. Polizei ermittelt wegen Waffenverstößen und Propagandasticker
Von Marc Bebenroth
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Die faschistische Partei will ihren Aktionsraum über mehrere Berliner Bezirke ausdehnen (3.10.2020)

Auf öffentlichen Sportplätzen und in Parks trainieren Faschisten nicht nur für das nächste Kampfturnier. Am Sonnabend hat die Berliner Polizei bei einer Gruppe aus 20 bis 30 Mitgliedern der Neonazipartei »Der III. Weg« im Stadtpark Lichtenberg Waffen, Quarzsandhandschuhe, Pfefferspray und Propagandasticker mit »verfassungsfeindlichen Symbolen« beschlagnahmt, wie der Tagesspiegel und die Berliner Zeitung am Montag berichteten. Einige Teilnehmer der Kampfübung trugen demnach uniforme Kleidung mit dem Logo der extrem rechten Partei, die seit geraumer Zeit ihren Einfluss auf junge Menschen sowie ihr Aktivitätsgebiet in Berlin auszuweiten sucht. Die Polizei ermittele wegen Verstößen gegen das Waffenrecht und der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole.

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Lichtenberger Bezirksverordnetenversammlung gibt es offenbar vor allem eine Lösung: die »sofortige Sperrung bezirkseigener Sportstätten und Einrichtungen für diese Gruppe«, wie Leonie Köhler, sozialpolitische Sprecherin, in einer Mitteilung vom Montag forderte. Eine solche Sperre müsste sich allerdings auf mehr als nur den Bezirk Lichtenberg erstrecken.

So nennt ein am Montag auf der Plattform de.indymedia.org veröffentlichter Beitrag vom »Antifaschistischen Monitor Berlin« mit Verweis auf »Der III. Weg« und dessen Nachwuchsorganisation »Nationalrevolutionäre Jugend« (NRJ) für den Bezirk Pankow den Kissingen-Sportplatz sowie den Schlosspark, für Hellersdorf den Calisthenics Park sowie den »Bolzplatz Erich-Kästner-Straße«, für Kausldorf eine Anlage am Butzer See und für Lichtenberg einen Basketballplatz an der Landsberger Allee sowie den besagten Stadtpark. Gewöhnlich seien die Neonazitrainings »klandestin organisiert« und fänden »an wechselnden Orten und Tagen« statt.

Sie haben dabei nicht nur »einen ganz praktischen Nutzen«, sondern einen »Werbenutzen«, erklärte Ferat Koçak, Sprecher für antifaschistische Politik der Linke-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, am Dienstag gegenüber junge Welt. »Wir können davon ausgehen, dass die jüngste Zunahme von Mitgliedern bei Organisationen der extremen Rechten auch auf die Kampfsporttrainings zurückzuführen ist.« Einzelne Kader oder auch Gruppen würden versuchen, »auch normale Sportvereine in ganz Berlin zu ›infil­trieren‹ und vermutlich auch heimlich in anderen Bezirken trainieren«.

Der Linke-Abgeordnete hatte gemeinsam mit seinem Fraktionskollegen Niklas Schrader mehrere Anfragen dazu an den Berliner Senat gestellt. In seiner Antwort vom 12. Juni teilt der Innensenat mit, dass »Der III. Weg« und NRJ »unregelmäßig für Mitglieder und Anhänger Kampfsporttrainings« organisierten, »schwerpunktmäßig in Pankow, Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf, z. B. in Parks mit Trimmeinrichtungen und auf Sportanlagen«.

Koçak attestiert gegenüber jW den Neonazis in Berlin ein »offeneres und aggressiveres Auftreten« sowie eine gestiegene Gewaltbereitschaft. Der Linke-Politiker verwies auf den brutalen Überfall mutmaßlicher Mitglieder der Partei »III. Weg« bzw. ihrer Jugendorganisation auf eine Gruppe Nazigegner nahe dem Berliner Bahnhof Ostkreuz am 6. Juli. An dem Tag hatte eine Gruppe von mehr als einem Dutzend Vermummter mehrere Menschen attackiert, die auf dem Weg zu einer antifaschistischen Demonstration waren. Augenzeugen wollen einzelne Angreifer als »III. Weg«- bzw. NRJ-Mitglieder identifiziert haben. Polizisten sollen zunächst nicht eingeschritten sein. Eine erste Mitteilung der Behörde wurde dafür kritisiert, den Angriff als Auseinandersetzung zweier Gruppen zu verharmlosen.

Bei dem Angriff sind mehrere Personen verletzt worden, darunter zwei schwer. Eine Beamtin der Bundespolizei sei mit der Faust ins Gesicht geschlagen worden. Gegen drei Personen werde wegen Landfriedensbruchs ermittelt, wie eine Sprecherin der Berliner Polizei am Montag gegenüber jW sagte. Der Vorwurf der schweren Körperverletzung komme wahrscheinlich noch hinzu. Die Sprecherin bestätigte, dass mittlerweile doch die Staatsschutzabteilung der Polizei in dem Fall ermittelt – die Behörden also von einer politisch motivierten Tat ausgehen.

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