75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Sa. / So., 14. / 15. September 2024, Nr. 215
Die junge Welt wird von 2939 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 17.07.2024, Seite 16 / Sport
Olympische Spiele

Die Toilette von Paris

Schwimmen bei Olympia: Wer traut sich in die Seine?
Von Jens Walter
France_Paris_2024_Ol_82753590.jpg
Noch gesund: Sportministerin Amélie Oudéa-Castéra (l.) und Triathlet Alexis Hanquinquant

Wer traut sich zuerst in die »Kloake«? Vollmundige Ankündigungen gab es zur Genüge, Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron wollte und will es noch immer tun, die Pariser Oberbürgermeisterin Anne Hidalgo sowieso. Am vergangenen Sonnabend morgen aber war es Frankreichs Sportministerin Amélie Oudéa-Castéra, die den Anfang machte und sich in Neopren­anzug und Badekappe in die Seine wagte. Ja, fein!

Oder eher nicht so. Immerhin war die Politikerin da in einen Fluss gestiegen, in dem bald Olympiawettbewerbe stattfinden sollen – der aber vor nicht mal einem Monat von Behörden als erhebliches Gesundheitsrisiko identifiziert wurde. 1,4 Milliarden Euro hat Frankreich bislang investiert, um die Seine endlich sauber zu bekommen. Doch die Werte von E.-coli-Bakterien – ein Schlüsselindikator für Fäkalien – blieben gemessen an den Vorgaben der Sportverbände lange zu hoch. Vor lauter Ärger, dass das Geld in den Fluss statt soziale Themen gesteckt wurde, starteten die Pariser Stadtbewohner vor Wochen einen Aufruf dagegen.

Bei der Eröffnungsfeier der Sommerspiele (26. Juli bis 11. August) werden etwa 100 Boote mit Athletinnen und Athleten den Fluss hinunterfahren, so der Plan. Zudem sollen die Wettbewerbe im Freiwasserschwimmen und das Schwimmen im Triathlon in der Seine stattfinden. Zweifel da­ran, ob das eine gute Idee ist, schwelen seit Monaten – zumal sich die Organisatoren einem Alternativplan bislang strikt verweigerten. »Es ist schwierig, wenn sie keinen Plan B haben, gerade wenn die Wasserqualität so schlecht ist, dass man die Gesundheit der Athleten riskiert«, sagte die deutsche Freiwasserschwimmerin und Medaillenkandidatin Leonie Beck Anfang Juni dem Sportinformationsdienst.

»Ich denke, dass der mediale Druck jetzt auch zunimmt, weil die Leute sagen, die Seine ist die Toilette von Paris«, bekräftigte die 27jährige. Die Toilette von Paris! Das Narrativ hat sich längst verbreitet, Politik und Veranstalter paddeln verzweifelt hinterher. Öffentlichkeitswirksame Schwimmversuche in der Seine mussten verschoben werden.

»Wir haben gesagt, dass wir bereit sein würden«, sagte Sportministerin Oudéa-Castéra nun, nachdem es mit ihrem Bad im Fluss geklappt hat, »und das sind wir auch.« Bürgermeisterin Hidalgo will nachziehen und am Mittwoch in der Seine schwimmen. Wenn die Wasserqualität das zulässt. Der Trend der letzten Qualitätskontrollen immerhin war positiv. Ende vergangener Woche teilte ein Sprecher des Pariser Rathauses mit, der Fluss sei an »elf oder zehn« der vergangenen zwölf Tage sauber genug gewesen, um dort Schwimmwettbewerbe auszutragen. So eine Überraschung.

Es kommt noch dicker. Ab 2025 soll die Seine auch privates Planschvergnügen für die Pariser Bürger ermöglichen. Klar. E. coli lacht sich schlapp. Vor rund hundert Jahren war ja eben das verboten worden. Im Rahmen der Milliardeninvestition werden nun unter anderem 23.000 Wohnungen an die Kanalisation angeschlossen, deren Abwässer bislang ungereinigt in die Seine geleitet wurden.

Und wenn die Wasserqualität während Olympia möglicherweise doch nicht ganz rechtzeitig ausreicht? Dann erwägen die Veranstalter, die betroffenen Wettkämpfe jeweils um ein paar Tage zu verschieben. »Wir machen uns keine Sorgen um die Durchführung der Wettbewerbe«, sagte Pierre Rabadan, Sportberater des Pariser Stadtrats, kürzlich dem Radio France Internationale: »Sie werden stattfinden.« Er setzt darauf, dass die Seine in wenigen Tagen sauber ist – und auch die Athleten sich dann in den Fluss trauen.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (17. Juli 2024 um 12:13 Uhr)
    Es wird bekannt gemacht, dass kanner in den Bach nei sacht, denn morgen wird gebräut. So ungefähr rief der Amtsbote im neunzehnten Jahrhundert in der bayreuther Gegend vor dem Brautag im Dorf.

Mehr aus: Sport