Berlin, eine Bettenburg
Von Oliver RastDas klingt doch logisch, oder? Neubauten von Hotels, Hostels und Pensionen, obwohl die Beherbergungsbetriebe in Berlin nur zu etwas mehr als der Hälfte im Jahresschnitt ausgelastet sind. Dem »schwarz-roten« Senat scheint das einerlei zu sein. Das geht aus Antworten der zuständigen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen hervor, die jW vorliegen. Schriftlich gefragt hatte kürzlich Katalin Gennburg (Die Linke) unter der appellativen Überschrift: »Hotelneubauten stoppen!«
In der Bundeshauptstadt gibt es demnach 740 Beherbergungsbetriebe mit Stichtag 31. Juli 2023. Das sind rund 145.000 Betten für Touristen, Messebesucher, auswärtiges Sportpublikum oder Gatten, die vor die Tür gesetzt wurden. Aktuellere Daten hat das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg nicht, erfuhr die Sprecherin für Stadtentwicklung, Bauen, Umwelt und Tourismus ihrer Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Die meisten der Bettenburgen befinden sich im Hauptstadtbezirk Mitte (208), gefolgt von Charlottenburg-Wilmersdorf (148). Zum Vergleich: Im Randbezirk Marzahn-Hellersdorf sind es nur 15. Übrigens, Ferienwohnungen erfassen die Statistiker nicht gesondert, sie fallen unter die Rubrik »Weitere Betriebe.«
Gennburg wollte ferner wissen, wie viele neue Hotels in Planung seien, für die Bauvoranfragen, Bauanträge und Betriebsgenehmigungen vorlägen. Präzise Zahlen kann der Senat nicht liefern. Die werden der Datei für elektronische Bau- und Genehmigungsverfahren (eBG) entnommen. Nur, die ist unvollständig, hieß es etwa aus dem Bezirk Neukölln. Und eh, die »erbetenen Angaben« ließen sich nicht »auf Knopfdruck« beschaffen. Zudem sei »eine Auswertung aller Einzelvorgänge vom Aufwand her nicht leistbar«. Wenig überraschend, dass der Senat auch nichts darüber weiß, wieviel Wohnraum durch Umnutzung oder Abriss für neue touristische Matratzenlager in den vergangenen zehn Jahren verloren gegangen ist.
Wäre es nicht an der Zeit für ein »Bettenmanagement«, für einen Abbau des Überhangs? Offenbar nicht. »Der Senat erachtet einen Hotelentwicklungsplan für die Steuerung der Hotelentwicklung in Berlin als nicht zielführend.« Schlimmer noch, den »schwarz-roten« Koalitionären zufolge habe der Stadtstadt einen Bedarf von 9.300 zusätzlichen Hotelzimmern. Weltfremd. Zumal »Auslastung und Mix leider noch nicht das Niveau des Jahres 2019 erreicht haben«, wurde Thomas Lengfelder, Berliner Hauptgeschäftsführer des Hotel- und Gastronomieverbands Dehoga, unlängst im Tagesspiegel zitiert. Das heißt, der Auslastungsgrad liegt weiterhin unter den 62 Prozent des Vorcoronajahres.
Und auch eine »Höchstzahl von Hotels«, die volkswirtschaftlich sinnvoll und stadtverträglich wäre, lehnt der Senat ab. Fahrlässig, findet Linke-Politikerin Gennburg am Sonntag im jW-Gespräch. Die mangelhafte Wohnraumversorgung werde immer akuter, aber die »Ballermannisierung der Innenstadtkieze« nehme aufgrund der Hosteldichte zu. Dieser Ausbau belege auch: Die kleinen Betreiber werden durch große Ketten verdrängt. Gennburg fordert, die »Beinfreiheit für Hotelinvestoren« müsse eingeschränkt werden – »durch einen Neubaustopp.«
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