75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Donnerstag, 19. September 2024, Nr. 219
Die junge Welt wird von 2939 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 22.07.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Infrastruktur

Rolle rückwärts in London

Britische Bahn vor Wiederverstaatlichung. Labour erfüllt nach Sieg Wahlversprechen
Von Dieter Reinisch
Streiks_in_Grossbrit_79565970.jpg
Leere Bahnsteige: Londoner Bahnhof King’s Cross bei Streik im Oktober 2023

Rasch ist es gegangen, dass Keir Starmer eines seiner zentralen Wahlkampfversprechen umsetzte: Großbritanniens neue Regierung hat am Donnerstag einen Gesetzentwurf zur schrittweisen Verstaatlichung der Eisenbahn vorgelegt. Einen Tag zuvor hatte dies König Charles III. in seiner Rede, in der er traditionell das Programm der neuen Regierung vorstellt, angekündigt.

Im Wahlkampf hatte Labour versprochen, die marode britische Bahn »innerhalb von fünf Jahren« wieder zu verstaatlichen. »Nach Jahren unannehmbar schlechter Leistungen ist das Gesetz ein Meilenstein, der es der Regierung erlauben wird, den Schienenpersonenverkehr wieder in öffentliches Eigentum zu überführen«, erklärte ein Regierungssprecher am Donnerstag, nachdem der Entwurf im Unterhaus eingebracht worden war. Wird das Gesetz verabschiedet, werden die Bahnbetreiber nach Auslaufen der Verträge mit den privaten Unternehmen in öffentliches Eigentum überführt – bei schlechtem Management der Unternehmen soll dies früher möglich sein.

Die Regierung wird nach eigenen Angaben Ausgleichszahlungen vermeiden können, da die derzeitigen Verträge bis 2027 auslaufen: »Unser Verkehrssystem ist kaputt, aber der heutige Gesetzentwurf wird den Weg für bessere Züge ebnen, die für alle funktionieren, egal wo man wohnt«, sagte Verkehrsministerin Louise Haigh. Labour hatte bei den Unterhauswahlen am 4. Juli unter anderem mit dem Versprechen, die angeschlagenen Verkehrsbetriebe zu richten, über die Konservativen gesiegt.

Die Gewerkschaften zeigten sich über die Ankündigung erfreut. Der Generalsekretär der größten Eisenbahnergewerkschaft RMT, Mick Lynch, sagte: »Wir begrüßen die Ankündigungen, insbesondere in bezug auf die Aufhebung von Gewerkschaftsbeschränkungen und die Pläne zur Verstaatlichung unserer Eisenbahnen.«

Die RMT-Mitglieder waren am 21. Juni 2022 in den Ausstand getreten und hatten damit die größte Streikwelle in Großbritannien seit den 1980er Jahren ausgelöst. Ihre Kollegen der Lokführergewerkschaften ASLEF kämpfen bis heute weiter. Neben besserer Entlohnung, Verträgen, Jobgarantien und Sicherheit am Arbeitsplatz war eine der wichtigsten Forderungen der Gewerkschaften die Wiederverstaatlichung der Bahn.

»Diese Erfolge sind dem Druck der Gewerkschaftsbewegung zu verdanken, und wir werden weiterhin klar zum Ausdruck bringen, was im besten Interesse der Eisenbahner und der arbeitenden Bevölkerung insgesamt ist«, so Lynch. »Labour hat sich auch dazu verpflichtet, die Schienenverbindungen im Norden Englands zu verbessern. Wir sind überzeugt, dass der Hochgeschwindigkeitszug von London nach Manchester, HS2, weiterhin die beste Option ist, um die Verkehrsverbindungen zu verbessern, das Wirtschaftswachstum zu fördern und eine moderne Schieneninfrastruktur aufzubauen, die für das 21. Jahrhundert geeignet ist.«

Die konservativen Tories hatten 2023 bekanntgegeben, aufgrund von Sparmaßnahmen die geplant Hochgeschwindigkeitsstrecke »High Speed 2« (HS2) ab Birmingham weiter Richtung Norden nur noch als normale Fernverkehrs-, aber nicht als Hochgeschwindigkeitsstrecke zu errichten. Im Wahlkampf hatte Labour ebenfalls versprochen, das Projekt wieder in Angriff zu nehmen.

ASLEF-Generalsekretär Mick Whelan begrüßte die Pläne der Regierung ebenfalls. »Keir Starmer hat das Wahlversprechen von Labour eingelöst, indem er Pläne vorlegte, die Eisenbahnen wieder in öffentliches Eigentum zu überführen.« Dies sei »die richtige Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt, um die Bremsen der britischen Wirtschaft zu lösen und Großbritannien wieder aufzubauen. John Majors Entscheidung, British Rail 1994 zu privatisieren, war dumm, ideologisch motiviert und zum Scheitern verurteilt«, so Whelan.

Auch wenn sich Starmer nun feiern lässt: Die Wiederverstaatlichung hatte sein Vorgänger Jeremy Corbyn bereits 2017 im Labour-Programm. Die größten Bahnbetreiber in Schottland und Wales, wo die Transportpolitik von den Regionalregierungen betrieben wird, sind ebenfalls wieder in staatlichem Besitz.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

  • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (22. Juli 2024 um 12:59 Uhr)
    Nachdem sich seit der Thatcher-Ära zahllose Private auf Kosten des britischen Steuerzahlers gigantisch bereichert und die gesamte Bahninfrastruktur verkommen und die Technik veraltern haben lassen, darf der Tax Payer den ganzen Schrott jetzt zwecks Sanierung wiederbekommen. Könnte glatt von Andy Scheuer stammen, dieses Erfolgsmodell.

Ähnliche:

  • 25.10.2022

    Neue Spielregeln

    Britische Regierung will Streikrecht einschränken, um Arbeitskämpfe zu brechen. Hafenarbeiter erneut im Ausstand
  • »Kämpfe zusammenführen«: U-Bahn-Streik am Sonntag in London
    09.06.2022

    Das Königreich lahmlegen

    Britische Transportarbeitergewerkschaft RMT will Eisenbahnnetz in England, Schottland und Wales bestreiken. Ausstand auch in Londoner U-Bahn

Mehr aus: Kapital & Arbeit