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Aus: Ausgabe vom 22.07.2024, Seite 16 / Sport
Schach

Doppelt hält besser

Die Seniorenmannschaftsweltmeisterschaft im Schach in Kraków
Von Sören Bär
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Konzentriert bei der Sache: John Nunn

Am 11. Juli endete in Kraków die Seniorenmannschaftsweltmeisterschaft im Schach. In der Altersklasse 65 plus war die Lasker Schachstiftung nicht zur Titelverteidigung angetreten. Die Engländer nutzten die Gunst der Stunde, gewannen sieben Matches, ließen nur zwei Unentschieden zu und erreichten 16:2 Mannschaftspunkte. Der 69jährige aktuelle Einzelweltmeister 65 plus, John Nunn, totalisierte am Spitzenbrett 6,5 Punkte aus neun Partien. Bedeutsam war sein Schwarzsieg in Runde sechs gegen Großmeister (GM) Yehuda Gruenfeld, mit dem er das 2:2 gegen den Hauptkonkurrenten Israel rettete. Im Schlussdurchgang brillierte Nunn mit einem 15zügigen Gewinn gegen den finnischen Internationalen Meister (IM) Timothy Binham.

Der hochbegabte Nunn durfte bereits mit 15 Jahren als jüngster Student der vergangenen 500 Jahre ein Mathematikstudium in Oxford aufnehmen, wo er 1978 im Alter von 23 Jahren promovierte. Im selben Jahr avancierte er zum Schachgroßmeister. Bekannt wurde das Bonmot des Weltranglistenersten Magnus Carlsen: »Ich bin überzeugt, dass John Nunn deshalb nie Weltmeister wurde, weil er dafür zu intelligent ist. Er hat so unglaublich viel im Kopf. Einfach zuviel.« Nunns GM-Kollege Anthony Kosten (7/9) am zweiten Brett und ­FIDE-Meister (FM) Terry Chapman an Brett fünf (5/6) waren prozentual sogar noch erfolgreicher. GM Jonathan Mestel (4,5/7) und IM Paul Littlewood 2,5/5) komplettierten den Erfolg. Die Silbermedaille ging mit 15:3 Punkten an Israel.

Herausragend präsentierten sich IM Alexander Michalewski (6,5/9) am zweiten und GM Awigdor Bychowski (7/9) am dritten Brett. Dem Cercle d’Echecs de Strasbourg gelangen 14:4 Punkte. Neben GM Nikolaï Legky hatten die Franzosen in den drei Brüdern Daniel, Louis und Jean-Luc Roos – allesamt Internationale Meister (!) – ihre Aktivposten. Mit dem SC Eppingen, angeführt vom Leipziger GM Lothar Vogt, landete die beste deutsche Vertretung auf Rang sieben. Als stärkstes weibliches Team kam Lettland mit 8:10 Punkten auf Rang 24 und erhielt dafür die Goldmedaille bei den Frauen.

In der Altersklasse 50 plus vollbrachte das Team der USA mit acht Siegen, einer Niederlage und 16:2 Punkten das Kunststück, seinen Titel zu verteidigen. Die Großmeister Jaan Ehlvest, Alexander Shabalov, Melikset Khachiyan, Igor Novikov und Alex Yermolinsky spielten früher allesamt in der Sowjetunion. Sie verloren von insgesamt 36 Partien nur eine einzige. Ehlvest, 1987 und 1989 Estlands Sportler des Jahres, verlieh am Spitzenbrett Sicherheit (6/9), während Shabalov (5/8), Khachiyan (5,5/8), Novikov (7/9) und Yermolinsky (1,5/2) zuverlässig punkteten. Italien sicherte sich mit 15:3 Punkten den Silberrang.

Besonders imponierte der 57jährige GM Michele Godena (6/8) am zweiten Brett, dessen Zeitnotschlachten spektakulären Anstrich hatten. Wie im Vorjahr ging die Bronzemedaille an England. Die Briten hatten in Michael Adams, Einzelweltmeister 50 plus, den Star des Events am Spitzenbrett, der mit formidablen 6,5 aus 8 überzeugte. Aufsehenerregend war sein Sieg gegen den ehemaligen isländischen WM-Kandidaten Jóhann Hjartarson in 19 Zügen. Doch gegen den italienischen GM Alberto David mühte sich Adams 81 Züge lang vergeblich. David hielt das Remis und damit – wie sich zeigen sollte – die Silbermedaille für die Azzurri fest. Die weibliche Equipe aus Estland schaffte es mit 10:8 Punkten auf Platz neun unter den 32 Teams und wurde mit der Goldmedaille im Frauenwettbewerb belohnt. Silber ging an die USA, Bronze an England.

John Nunn (England) – Timothy Binham (Finnland), Seniorenmannschafts-WM 65 plus, 9. Runde (1), Kraków, 11.07.2024, Spanisch – Jänisch-Gambit

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 f5 4.d3 (Diese ruhige Fortsetzung gilt als vorteilhaft für Weiß. In der 7. Partie des WM-Kandidatenhalbfinales 1989 zwischen Jan Timman und Jonathan Speelman führte die scharfe Variante 4.Sc3 fxe4 5.Sxe4 d5 6.Sxe5 dxe4 7.Sxc6 Dg5 8.De2 Sf6 9.f4 Dxf4 nach diversen Abenteuern zu Speelmans Sieg.) 4...fxe4 5.dxe4 Sf6 6.0-0 Lc5 7.Dd3! (Die Dame soll von c4 aus die schwarze Rochade verhindern und den Läufer c5 attackieren.) 7...d6 8.Dc4 Ld7 9.Sc3 De7 10.Sd5! Sxd5 11.exd5 (Bis zu diesem Zug haben beide Spieler präzise agiert …) 11...Sb8? (Das ist bereits der entscheidende Fehler. Pflicht war 11...Sd4, wonach 12.Lxd7+ Dxd7 13.Sxe5! De7 14.c3 dxe5 15.cxd4 Lxd4 16.Le3 Lxe3 17.fxe3 0-0-0 +/= mit etwas besseren Chancen für Weiß folgen könnte.) 12.Lg5! +- (Dieser Coup besiegelt bereits das Schicksal des Nachziehenden.) 12...Df8 13.Tae1! Lxb5 14.Dxb5+ Sd7 15.Sxe5! (Aus! Nach 15...dxe5 16.Txe5+ Kf7 17.Dxd7+ Kg8 18.Le7! Lxe7 19.Txe7 +- hätte Nunn zwei Bauern mehr und würde vernichtenden Angriff auf der siebenten Reihe behaupten. 15...c6 endet nach 16.Sxd7+ Kxd7 17.Dxb7# im Matt.) 1:0.

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