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Aus: Ausgabe vom 27.07.2024, Seite 4 / Inland
Staat gegen rechtes Magazin

Verein und Verdacht

Fall Compact: Verwaltungsgerichte billigen in Durchsuchungsbeschlüssen BMI-Standpunkt
Von Detlef Georgia Schulze
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Durchsuchung einer Immobilie, die Compact zugerechnet wird (Falkensee, 16.7.2024)

Am 16. Juli hat das Bundesinnenministerium die Compact-Magazin GmbH und die Conspect-Film GmbH mit großem Paukenschlag verboten. Ungenau wurde zumeist – zuerst von der Bundesinnenministerin selber – vom Verbot des von der erstgenannten GmbH verlegten Magazins gesprochen. Im Zusammenhang mit dem Verbot kam es zu Durchsuchungen in vier Bundesländern: Brandenburg, Hessen, Sachsen und Sachsen-Anhalt.

Für den Erlass der Durchsuchungsbeschlüsse in Brandenburg waren die Verwaltungsgerichte Potsdam und Frankfurt (Oder) zuständig, in Sachsen das Verwaltungsgericht Dresden sowie in Sachsen-Anhalt die Verwaltungsgerichte Halle und Magdeburg sowie in Hessen die Verwaltungsgerichte Kassel und Gießen.

Im anonymisierten Durchsuchungsbeschluss aus Gießen heißt es unter anderem, hier bestünden »konkrete Anhaltspunkte für Verbotsgründe. Die Ausführungen in der dem Antrag beigefügten Verbotsverfügung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat beschreiben ausführlich und detailliert die Tätigkeiten des Vereins ›D‹ (Compact-Magazin GmbH) einschließlich seiner Teilorganisation ›E‹ (Conspect-Film GmbH), die geeignet sind, den hinreichenden Verdacht zu begründen, dass sich der Verein ›D‹ einschließlich seiner Teilorganisation ›E‹ gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet.«

Die Bejahung des Verdachts ist Voraussetzung des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses; für jede Durchsuchung, die stattfand, muss es also einen Durchsuchungsbeschluss geben, der den Anfangsverdacht bejaht. Theoretisch hätten die Verwaltungsgerichte den Anfangsverdacht auch verneinen können. Aber wie im Strafrecht, wo der Anfangsverdacht für die Einleitung von Ermittlungsverfahren und auch für Durchsuchungen bei Beschuldigten genügt, sind die Voraussetzungen dafür eher gering. Das Verwaltungsgericht Gießen umschreibt den Anfangsverdacht für Durchsuchungen im Kontext von Vereinsverboten wie folgt: »Für die Anordnung müssen konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen von Verbotsgründen gegeben sein, d. h. Verdachtsgründe, die über Vermutungen und vage Anhaltspunkte hinausgehen, denn die Durchsuchung darf nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Verdachts erforderlich sind; sie setzt einen Verdacht bereits voraus.«

Was erfahren wir nun aus dem Gießener Durchsuchungsbeschluss? Er richtet sich gegen eine Frau und einen Mann. Über die Verbotsverfügung heißt es: »Das BMI begründet seine Verbotsverfügung damit, dass der Verein und seine Teilorganisation sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten.« Aus der dem Gericht vorliegenden Verbotsverfügung gehe hervor, »dass die ›D‹ sich in ihren diversen Veröffentlichungen offen rassistisch, antisemitisch, fremden-, migranten-, muslimen- und minderheitenfeindlich äußert und – vornehmlich in ihren Sonderausgaben – geschichtsrevisionistische Thesen verbreitet und ein völkisches-nationalistisches Gesellschaftskonzept propagiert, das ›ethnisch Fremde‹ nach Möglichkeit aus dem Staatsvolk ausschließt und hierdurch die Menschenwürde derer missachtet, die nicht in dieses ethnische Konzept passen«. Außerdem heißt es: »Bei der Verwirklichung seiner verfassungsfeindlichen Ziele nimmt der Verein nach den Ausführungen in der Verbotsverfügung eine aggressiv-kämpferische Haltung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung ein, welche den Charakter des Vereins prägt.«

Weitere amtliche Auskünfte über die Verbotsgründe waren auch dem Bundesinnenministerium nicht zu entlocken. Anfragen an die Generalstaatsanwaltschaften der vier genannten Bundesländer ergaben, dass in Brandenburg sieben Ermittlungsverfahren gegen Gesellschafter, Geschäftsführer und/oder Mitarbeiter der Compact-Magazin GmbH und der Conspect-Film GmbH und/oder Redakteure und/oder Autoren des Magazins Compact bzw. von Compact TV anhängig sind. Es geht um folgende Straftatbestände: Verstoß gegen irgendein anderes Vereinigungsverbot, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen sowie Belohnung und Billigung von Straftaten sowie schließlich »Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat«.

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