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Aus: Ausgabe vom 27.07.2024, Seite 5 / Inland
Glyphosat-Verfahren

Bayer windet sich durch

Chemiekonzern entgeht Sammelklage von Glyphosat-Geschädigten in Australien. Konzerntochter Monsanto schließt 160-Millionen-Vergleich in den USA
Von Jan Pehrke
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Ackerbau in Niedersachsen bei Goslar: Fontänenhaft auf Winterweizen versprühter Giftstoff

Eine Sammelklage von mehr als 800 Glyphosat-Geschädigten gegen den Leverkusener Chemieriesen Bayer wurde am Donnerstag abgewiesen. Die Kläger des Verfahrens in Australien hatten das dort unter dem Namen Roundup vermarktete Herbizid für ihre Krebserkrankung verantwortlich gemacht. Der zuständige Richter Michael Lee erachtete die vorgebrachten Belege für Glyphosat als Verursacher des Non-Hodgkin-Lymphoms (NHL) – eine Krebsform, die das Lymphgewebe befällt – als nicht ausreichend.

»Es ist in diesem Verfahren bei Abwägung der Wahrscheinlichkeiten nicht bewiesen, dass die Verwendung von Roundup-Produkten oder die Exposition gegenüber Roundup-Produkten während des relevanten Zeitraums das Risiko einer Person, an NHL zu erkranken, erhöht«, erklärte er. Der Vertreter der Kläger will nun erst einmal die Urteilsbegründung prüfen und dann entscheiden, ob er in Berufung geht.

Der Bayer-Konzern zeigte sich indessen erwartungsgemäß hocherfreut über das Votum. »Die Entscheidung des Gerichts steht im Einklang mit den weltweiten behördlichen und wissenschaftlichen Bewertungen, einschließlich der australischen Behörde für Pestizide und Tierarzneimittel, die belegen, dass Glyphosat (Roundup) sicher und nicht krebserregend ist«, konstatierte der Leverkusener Multi.

Abgesehen von den USA hat die 2015 erfolgte Einstufung von Glyphosat als »wahrscheinlich krebserregend« durch die Weltgesundheitsorganisation nur noch in Kanada und in Australien zu Prozessen in nennenswerter Zahl geführt. In diesen Ländern gibt es nämlich das verbraucherschutzfreundliche Instrument der Sammelklage, das Geschädigten ermöglicht, ihr Recht zu suchen, ohne untragbare finanzielle Risiken auf sich nehmen zu müssen.

Angesichts von noch rund 57.000 anhängigen Glyphosat-Klagen bemüht sich der Konzern um Schadensbegrenzung. Harte Strafen für die Bayer-Tochter Monsanto erfolgten allerdings bisher nur in den USA. Am Donnerstag (Ortszeit) stimmte Monsanto einem Vergleich zur Zahlung von 160 Millionen US-Dollar zu, um in den USA eine Klage der Stadt Seattle beizulegen. Wie Reuters am Freitag berichtete, war Monsanto vorgeworfen worden, das Abwassersystem der Stadt und den Fluss Lower Duwamish River mit giftigen Chemikalien (sogenannten PCBs) verschmutzt zu haben. Das Unternehmen räumte indes weder Haftung noch Fehlverhalten ein.

Die dortigen Anwälte betrieben in Verfahren enorm viel Aufwand, ließen etwa interne Firmenunterlagen als Beweismaterial sicherstellen. Die Dokumente trugen nicht unerheblich zu verhängten Millionenstrafen bei. So informierte etwa ein Beschäftigter die Monsanto-Toxikologin Donna Farmer über eine Untersuchung zum Zusammenhang zwischen Glyphosat und dem Non-Hodgkin-Lymphom.

»Die Fall-Kontroll-Studie ergibt ein Chancenverhältnis von 2,02 für Glyphosat-Exposition (eine zweifache Wahrscheinlichkeit, die Krankheit zu bekommen)«, lautete es in der betreffenden E-Mail. Für Farmer war das nichts Neues. »Uns ist dieses Dokument schon seit einiger Zeit bekannt, und wir wussten, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Aktivisten es aufgreifen«, antwortet sie. Die Frage sei, »wie bekämpfen wir das?« Das vorrangige Ziel sei, »das globale Glyphosat- und Roundup-Geschäft zu verteidigen und zu erhalten«, konstatierte Farmer demnach.

In den meisten Prozessen wurde dem Konzern zur Last gelegt, nicht genügend vor Risiken und Nebenwirkungen der Nutzung von Glyphosat gewarnt zu haben. Bayers Anwälte riefen als Zeugin der Verteidigung hingegen immer die US-amerikanische Umweltbehörde EPA auf, die das Mittel nicht für krebserregend hält, konnten sich damit allerdings nicht durchsetzen. Der Konzern versucht daher offenbar nun, die Gerichte an die Einschätzung der EPA zu binden, und gesetzliche Initiativen anzuschieben. Um »diesen Rechtskomplex im Sinne unseres Unternehmens und unserer Kunden abzuschließen«, brauche es »eine intensivere Zusammenarbeit mit anderen Akteuren im Bereich der Politik«, erklärte Bayer-Vorstandsvorsitzender William Anderson auf der Bilanzpressekonferenz des Konzerns im März.

Jan Pehrke ist Journalist und Vorstandsmitglied der Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG)

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