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Aus: Ausgabe vom 27.07.2024, Seite 8 / Inland
Protest gegen Wagner-Festspiele

»Von Anfang an ein Projekt der herrschenden Klasse«

Bayern: Protest gegen Wagner-Festspiele. Kritik am Umgang mit Erbe des Komponisten. Ein Gespräch mit Johannes Nepomuk
Interview: Hendrik Pachinger
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Protest gegen die Bayreuther Festspiele (25.7.2019)

Die diesjährigen Festspiele in Bayreuth werben mit dem Motto »Richard Wagner: Revolutionär, Utopist – hier bleibt sein Erbe lebendig. Beim spannendsten Musiktheaterfestival der Welt.« Was haben Sie daran auszusetzen?

Dieser Werbespruch verdeckt eine Seite an Richard Wagner, die bis heute von zahlreichen seiner Anhänger mit dem Zeitgeist entschuldigt wird: Richard Wagners Antisemitismus. 1850 schrieb der Komponist ein Pamphlet mit dem Titel »Das Judenthum in der Musik«. Die Aussagen, die dort getätigt wurden, kommen aber nicht von jemanden, der einfach nur Träger eines Zeitgeistes war, sondern sind Hetzparolen eines proaktiv agierenden Antisemiten. Es ist genau diese Seite Wagners, die bei den Festspielen immer in den Hintergrund gerückt wird und das ist aus unserer Sicht kein vernünftiger Umgang mit dem Erbe Wagners.

Sie bemängeln, dass sich an diesem Wochenende die »herrschende Klasse auf Volkskosten ein rauschendes Fest genehmigt«. Ist das nicht etwas polemisch?

Die Festspiele waren von Anfang an ein Projekt der herrschenden Klasse. Kaiser und Könige finanzierten sie. Für den Hitlerfaschismus war Wagner ein ideologischer Grundbaustein. Nach dem Krieg besuchten dann Bundespräsidenten und Bundeskanzler die Festspiele, als ob nichts gewesen wäre. Wir vom Bündnis Festspieldämmerung bezeichnen diese Veranstaltungen daher als »Fest der herrschenden Klasse«, denn neben Kleinbürgern sind auch hochrangige Vertreter aus Politik und Wirtschaft anwesend, die das Geld dafür geben.

Bayreuth gleicht einer Festung: gesperrte Straßen und enorme Polizeipräsenz. Wer soll hier geschützt werden?

Neben zahlreichen Promis besuchen auch Regierungspolitiker wie Claudia Roth und Ricarda Lang oder Ministerpräsident Markus Söder die Festspiele. Für die sichert die Polizei die Stadt ab. Es gibt jedes Jahr zur Eröffnung zwei Sicherheitszonen: eine um den Festspielhügel und eine um den Hofgarten, einen der beliebtesten Parks in Bayreuth. Da kommt man dann als normaler Mensch nicht mehr rein. Für viele in Bayreuth ist die Festspielzeit eine Belastung. Die Gastronomie verdient zwar ordentlich, aber die Parkgebühren steigen, zum Beispiel am Krankenhaus. Etliche Studierende haben Mietverträge, die ihnen vorschreiben, dass sie während der Festspielzeit ihre Zimmer räumen müssen, damit diese an besser bezahlende Wagnerianer vermietet werden können. Gerade in der Klausurenphase, die zeitgleich stattfindet, ist das sehr belastend.

Wer kommt für die Kosten auf?

Laut einem Bericht des Bayerischen Rundfunks vom vergangenen Jahr liegt der Gesamtetat der Festspiele jedes Jahr bei rund 32 Millionen Euro. Die Bayreuther Festspiele wurden bisher zu je 29 Prozent vom Bund, dem Land Bayern und der Gesellschaft der Freunde Bayreuths getragen. Die Stadt Bayreuth hält als vierte Gesellschafterin 13 Prozent der Anteile. Mit diesem Geld decken die Festspiele die Ausgaben, die sie nicht durch eigene Einnahmen erwirtschaften können. In Zukunft wollen Bayern und der Bund noch mehr Geld bereitstellen.

Gebührenfrei und für alle offen sind die Festspiele dennoch nicht.

Genau, die meisten Karten kosten zwischen 200 und 460 Euro. Zwar gibt es auch das »Festspiel Open Air«, wo das Orchester kostenlos auftritt. Dieses Spektakel findet aber nicht im Festspielhaus statt, sondern im Freien. Gespielt werden auch keine vollständigen Wagner-Opern, sondern hauptsächlich Werke anderer Komponisten, nur ein paar Stücke von Wagner selbst.

Sie rufen zum Protest auf. Was planen Sie für dieses Wochenende?

Die Hauptdemo findet jetzt am Samstag um 14 Uhr statt. Startpunkt ist das ehemalige Wohnhaus der Familie Wagner: das Haus Wahnfried. Wir haben dieses Jahr beschlossen, kulturelle Kritik an den Festspielen zu üben, da die Rolle der Familie Wagner während des Nationalsozialismus nicht aufgearbeitet ist, und wir gehen als linkes Bündnis gegen die drohende Wehrpflicht sowie die allgemeine Militarisierung auf die Straße. Das Bündnis solidarisiert sich außerdem mit Palästina und prangert die Doppelmoral an: Sekt trinken und Wagner hören, während in Gaza die Bomben fallen.

Johannes Nepomuk ist aktiv im Bündnis »Festspieldämmerung«

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