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Gegründet 1947 Sa. / So., 07. / 8. September 2024, Nr. 209
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Aus: Ausgabe vom 27.07.2024, Seite 4 (Beilage) / Wochenendbeilage
Gegenkultur

(Kein) Teil der Maschine

Japanischer Punkrock zwischen Anarchismus und Anzugträgern
Von AinStain
Japanisch-brasilianische Band »Punhalada« (portugiesisch: ­Dolchstoß) mit Sänger Geovanny
Dürfen nicht fehlen – egal in welchem Land …
»Stairway to ­Heaven« – eine Kneipe im »­Yakuza-Viertel« von Nagoya. Wirt Elvis mochte uns und spendierte literweise Sake
Isaac von »Death ­Mariachi« in der U-Bahn auf dem Weg zum Konzert in Nagoya
Im »Yakuza-Viertel« von Nagoya gibt es einfach die besten Kneipen
Shopping Spree mit »Death Mariachi« in einer Mall in Nagoya
Der Sänger von Mi-Na-Gi aus Nagoya im »Red ­Dragon«. Sehr gute Band!
Das kleine Ömchen, eine der guten Seelen im ­Bermondsey-Café, in dem es leckeres Essen und Bier bei Crust und Punk zu genießen gab
Die erste Nacht in Tokio: Kein Schlafplatz, kein Essen, keine Gage, dafür Regen und »Pay2Play«
U-Bahn-Station Shinjuku neben dem »Anti Knock«, einem Veranstaltungsort in Tokio

Ein kalter, nebeliger Novembertag. Fünf komplett durchgefeierte Punks fliegen von Berlin nach Tokio. Sie treten eine völlig unvorbereitete, zwölftägige Chaostour mit ihrer Band an. Dass das nicht gutgehen kann, ist klar. Aber was nimmt man von so einem Abenteuer mit nach Hause?

Der Versuch einer Rekapitulation. Natürlich die unglaublichen Landschaften. Abgefahrene Städte mit einem Mix aus Alt und Neu, verrottendem Beton und Neonlicht. Dann das Essen, klar. Kultur, wie sie einem fremder nicht sein kann. Dazu kommen extrem nette, gastfreundliche Menschen, Spitzenbands und eine Punkkultur mit langer Tradition.

Aber Fragen tun sich auf: Warum sehen eigentlich alle Clubs, vom Bodenbelag bis zum Tresen, gleich aus? Warum hören sich die Bands irgendwie an wie eine Kopie englischer Originale? Warum kann jemand, der auf Englisch singt, kein Englisch sprechen? Warum sehe ich nach einigen Tagen in einem der Läden, in denen wir abhingen, eine genaue Kopie meiner Weste? Und Punkrock, hm, da war doch noch was … Ah, ja, Politik!

Während die obigen Fragen noch relativ einfach mit »Yakuza« und »Die Kopie ist mindestens so gut wie das Original«-Mentalität erklärt werden können, wird es hier tricky. Natürlich gibt es dort Leute, die sich für Anarchismus, Frauen- oder Tierrechte einsetzen, aber in einer so stark isolierten, homogenen (nur zwei Prozent Ausländer), überalterten (weltweit höchstes Bevölkerungsalter) und in Traditionen gefangenen Gesellschaft (die gleichzeitig die weltweit höchste Suizidrate hat) ist linkes Engagement sehr anders wahrzunehmen als z. B. in Europa. Ein Ausbrechen aus den extrem starren Gesellschaftsnormen ist sehr schwierig und mit großen Opfern verbunden. Arbeitslos? Sehr schwierig. Bettler? Nicht existent!

Ohne Teil der Maschine zu sein, geht kaum etwas, und so sehen die Anzugträger vom Nachmittag am Abend auf dem Konzert aus, als wären sie gerade aus einem ranzigen autonomen Jugendzentrum gekrochen. Sich in diesem Umfeld zu engagieren, ist null mit europäischen Verhältnissen zu vergleichen und sollte deswegen auch anders bewertet werden.

AinStain ist Fotograf und lebt in Berlinwww.ainstain.de

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