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Aus: Ausgabe vom 31.07.2024, Seite 16 / Sport
Olympia

Ein bisschen Wut und viel Enttäuschung

Neues aus der Kloake: Zu viele Kolibakterien in der Seine gefährden den olympischen Triathlonwettbewerb
Von Jens Walter
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Aus dem Schlamm zu den Sternen, vom Moder der Seine zum Eiffelturm

Das milliardenschwere Prestigeprojekt an der Seine droht zu einem Fiasko zu werden. Der Triathlon der Männer wurde am Dienstag wegen der schlechten Wasserqualität drei Stunden vor dem Start um einen Tag verschoben. Das Kalkül der Organisatoren, für schöne Wettkampfbilder im Schatten des Eiffelturms zu sorgen, scheint sich zu rächen, denn eine Besserung ist nicht in Sicht.

»So will man sich das nicht vorstellen für Olympische Spiele«, sagte Martin Veith, Sportdirektor der Deutschen Triathlon Union (DTU). Die Entscheidung sei zwar »nachvollziehbar, aber vor allem für die Athleten maximal unglücklich«. Die Verschiebung sei »alles andere als gut«. Der französische Sportdirektor Benjamin Maze erkannte bei seinen Athleten gar einen Mix aus »ein bisschen Wut und einer Menge Enttäuschung«.

Um kurz vor 5 Uhr war die Entscheidung zur Absage gefallen. Die außerordentlichen Regenmassen am Wochenende hätten erneut zu »Werten über dem Limit« geführt, hieß es in einer Erklärung. Und die Gesundheit der Athleten habe Priorität. Schon das Training am Sonntag und Montag war wegen einer zu hohen Konzentration von Kolibakterien im Wasser ausgefallen. Der Wettkampf der Männer soll nun am 31. Juli um 10.45 Uhr beginnen. Das wäre unmittelbar nach der Entscheidung der Frauenkonkurrenz um 8 Uhr.

Man sei »sehr zuversichtlich«, sagte Marisol Casado, Präsidentin von World Triathlon. Voraussetzung sei aber, dass »die nächsten Tests den Standards entsprechen«. Dies erscheint allerdings mehr als fraglich. Denn der staatliche Wetterdienst Meteo France erwartete für den Dienstag abend Unwetter mit mehrstündigem Regen, der erneut zu einer Verschlechterung der Wasserqualität führen könnte.

Eine weitere Verschiebung der Rennen auf Freitag wäre noch eine Lösung. Ist auch dann kein Schwimmen in der Seine möglich, wo auch die Freiwasserschwimmer in der letzten Woche starten sollen, ist im Regelwerk der Notfallplan Duathlon vorgesehen – also Laufen, Radfahren und noch mal Laufen.

»Es sind dieselben Bedingungen für alle«, betonte Carisol. »Die Alternative wäre, das Event abzusagen. Dann gibt es keine Medaillen. Wir müssen uns mit dem Klimawandel auseinandersetzen und anpassen.« Im Worst-Case-Szenario Duathlon wäre die Goldmedaille »immer mit einem Sternchen versehen«, sagte hingegen der Olympiasieger von Beijing, Jan Frodeno, und bemängelte einen fehlenden »Plan B«. Vor allem sorgt er sich um die frisch aus der Höhe angereisten Athleten.

»Wenn man in der Höhe war, hat man ein ziemlich knappes Fenster, man sagt 72 Stunden. Und in diesen 72 Stunden ist die Leistungsfähigkeit maximal«, erklärte der frühere Triathlonstar: »Wenn man da noch ein, zwei Tage dranhängt, dann ist es eine Riesenumstellung und man fällt in ein sogenanntes Höhenloch.« Auch die deutschen Starter Tim Hellwig und Jonas Schomburg waren frisch aus der Höhe in Livigno angereist.

In den vergangenen Jahren investierte der französische Staat etwa 1,4 Milliarden Euro, um den Fluss zu säubern. Vor den Spielen hatten die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo und Organisationschef Tony Estanguet extra persönlich ein Bad in der Seine genommen, um am eigenen Körper zu beweisen, wie sauber das Wasser der Seine sei. Doch dann spielte das Wetter nicht mehr mit. Innerhalb von zwei Tagen fiel mehr Regen als normalerweise im gesamten Monat Juli zusammen. Und das französische Regenwasser ist wohl eher für das Gedeihen von Kolibakterien geeignet als für Hochleistungsausdauerschwimmer.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (31. Juli 2024 um 00:14 Uhr)
    Bemerkung zu Seine-Bakterien: Die Nahrungsmittelindustrie verwendet genmodifizierte Kolibakterien zur Erzeugung von Erdbeeraroma (weil es so viele Erdbeeren nicht gibt, wie man für Erdbeerjoghurt braucht). Das wäre doch eine Lösung: Erdbeer-Seine.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (31. Juli 2024 um 00:00 Uhr)
    Meinen Recherchen nach hat die Verseuchung der Seine nichts mit dem Klimawandel zu tun. Seit 1923 ist das Baden im Fluss verboten. Der »Tagesspiegel« schrieb am 09.07.2023, 18:15 Uhr: »Baden in der Seine in Paris soll nun ab 2025 möglich sein« (https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/langgehegter-traum-wird-wirklichkeit-baden-in-der-seine-in-paris-soll-nun-ab-2025-moglich-sein-10118716.html). Vielleicht hätte Herr Macron zur Vorbereitung der Olympics die eine oder andere deutsche Zeitung lesen sollen …

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