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Aus: Ausgabe vom 01.08.2024, Seite 2 / Ausland
Fankultur

»Mit Reisen wie dieser trotzen wir der Besatzung«

Palästinensische Fußballakademie fährt mit Unterstützung durch Ultras des Vereins Celtic Glasgow nach Südafrika. Ein Gespräch mit Patrick O’Neill
Interview: Mathias Dehne
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Celtic-Anhänger schwenken die palästinensische Flagge im Spiel gegen Atlético Madrid (Glasgow, 25.10.2023)

Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand ist Teil des Selbstverständnisses der Green Brigade. Weil Ihre Gruppe die Stadien gezielt für Solidaritätsaktionen nutzt, ist sie sowohl der eigenen Vereinsführung und den Verbänden ein Dorn im Auge. Wie konnte eine Geldstrafe gegen Celtic Glasgow zur Gründung einer Fußballakademie beitragen?

2016 traf Celtic in der UEFA-Champions-League-Qualifikation auf Hapoel Beer Scheva. Bei dem Spiel zeigten wir Hunderte Palästinafahnen. Wir wussten, dass eine Geldstrafe drohen würde, und sahen eine Möglichkeit, uns die weltweite Aufmerksamkeit zunutze zu machen. Im Anschluss starteten wir die Spendenkampagne »Match the Fine for Palestine« und sammelten 176.076 Pfund (208.967 Euro, jW), die zwischen dem Lajee Center und der Medical Aid for Palestinians aufgeteilt wurden. Es war ein symbolträchtiger Moment, der weit über unseren Wirkungsbereich in den Stadien hinausging. Dieses Vermächtnis ist Aida Celtic (kürzlich in Lajee Celtic umbenannt, jW), eine Fußballakademie im Aida-Flüchtlingslager.

Mit Lajee Celtic reisten Sie für zehn Tage nach Südafrika. Wie kam es zu dieser Reise?

Die palästinensische Nationalmannschaft besuchte im Februar Kapstadt. Ein Freund von Lajee Celtic war bei dieser Reise dabei und kam mit einem der Organisatoren ins Gespräch. Von da an wollten die Organisatoren sowohl die Green Brigade als auch Lajee Celtic nach Südafrika bringen. Mit Reisen wie dieser trotzen wir der israelischen Besatzung auf verschiedene Weise, tragen zur internationalen Solidarität bei, fördern die palästinensische Sache und bieten wertvolle Bildungsangebote, die mit nach Palästina genommen werden können, um sie dort weiterzugeben und umzusetzen. Bei Lajee Celtic geht es um viel mehr als nur Fußball: Die Spieler sind auf ihren Reisen Botschafter für Palästina und die Befreiungs- und Rückkehrbewegung.

Wie schwierig war es, Palästina während des anhaltenden Krieges zu verlassen?

Die meisten haben Palästina zum ersten Mal verlassen können und sind zwischen 18 und 60 Jahren alt. Leider ist es bei Reisen aus Palästina wahrscheinlich, am Kontrollpunkt oder an der Grenze zurückgewiesen oder verhaftet zu werden. Die Sorge, die Reise überhaupt antreten zu können, und die Angst, im Gefängnis zu landen, stehen an erster Stelle. In der Delegation waren auch zwei ehemalige politische Gefangene, die 19 bzw. 28 Jahre im Gefängnis saßen. Für sie waren die Risiken noch größer.

Gab es Personen, denen die Ausreise verwehrt wurde?

An der palästinensischen Grenze gab es für zwei Personen Probleme. Einer Person wurde die Ausreise verwehrt. Weitere Probleme gab es an der jordanischen Landesgrenze sowie am Flughafen.

Was konnten Spieler und mitgereiste Celtic-Ultras auf der Reise lernen?

Für die Palästinenser, die zum ersten Mal gereist sind, war es die Freiheit. Die meisten von ihnen berichteten, wie surreal es war, sich frei und sicher zu fühlen und eine Nacht zu schlafen, ohne Angst zu haben, aus dem Bett gezerrt zu werden. Auf der Tour gab es viele lehrreiche und kulturelle Begegnungen mit der lokalen südafrikanischen Gemeinschaft. Es war wichtig, nicht nur aus dem Antiapartheidkampf zu lernen, sondern auch zu verstehen, dass es noch ein langer Weg bis zur vollständigen Gleichberechtigung ist.

Vor wenigen Tagen ist die Delegation nach Palästina zurückgekehrt. Was erwartet sie dort?

Die allgemeine Stimmung im Westjordanland ist derzeit angespannt und niedergeschlagen. Man hat Angst vor der Besatzung, ist deprimiert wegen Gaza und sucht verzweifelt nach Arbeit und Geld. Der Fußball ist ein wichtiges Ventil für unsere Spieler, aber das tägliche Überleben ist ein Kampf. Während der Reise wurde das Aida-Flüchtlingslager von der Besatzungsarmee durchsucht und ein 15jähriger Spieler von Lajee Celtic verhaftet – Wajeeh Abu Aker.

Wajeeh wurde aus seinem Bett geholt, mit verbundenen Augen verhört und wahrscheinlich gefoltert. Anschließend wurde er in ein überfülltes Gefängnis für Erwachsene überstellt, wo Gefangene routinemäßig gefoltert und unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten werden. Er hat keinen Kontakt zu seiner Familie. Das ist die Realität, mit der alle Palästinenser – auch Kinder – konfrontiert sind.

Patrick O’Neill (Name geändert) ist Mitglied der Ultras-Gruppe Green Brigade von Celtic Glasgow und fungiert als Sprecher von Lajee Celtic

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