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Aus: Ausgabe vom 01.08.2024, Seite 5 / Inland
Ausbildungsplatzumlage

Ausbildungsfonds jetzt!

Erneuerung einer alten Forderung
Von Sebastian Borkowski
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Ernüchterndes Zeugnis für die Berufsbildungspolitik: Immer weniger junge Menschen haben hierzulande die Chance auf eine berufliche Ausbildung

An diesem Donnerstag beginnt für die meisten Azubis das Ausbildungsjahr. Ein Anlass, auf die Berufsbildungspolitik der Bundesregierung zu blicken. Trotz unzähliger Ankündigungen und Versprechen ist da kein klarer Kurs zu erkennen. Den zahlreichen Initiativen unter der Überschrift »Fachkräftestrategie« fehlt es nicht nur an Ehrgeiz: Häufig verfolgen sie einzig das Ziel, den nach Fachkräften gierenden Branchen im unteren Niedriglohnbereich kurzfristig die notwendigen Arbeitskräfte zu beschaffen. Nachvollziehbar, dass der Ruf nach einer Ausbildungsplatzumlage wieder vernehmbarer wird und auch Gewerkschaften sich wieder verstärkt mit dieser alten Forderung befassen.

Jüngst veröffentlichte der wissenschaftliche Beraterkreis der Gewerkschaften Verdi und IG Metall die Broschüre »Ein Ausbildungsfonds für Deutschland« und setzte das Thema damit wieder auf die Tagesordnung. Zu Recht, die Zahlen zur Berufsausbildung sind erschütternd: Die Ausbildungsquote – also das Verhältnis von Beschäftigten zu Auszubildenden – ist dramatisch gesunken, von 6,5 Prozent im Jahr 2007 auf nur noch 4,7 Prozent im Jahr 2022. Es haben also immer weniger junge Menschen die Chance auf eine berufliche Ausbildung – schon gar nicht in einem Beruf ihrer Wahl. Wer die Ursachen dafür in der angeblichen »Ausbildungsunreife« der jungen Generation sucht, verkennt die Realität: Unternehmer profitieren von gut ausgebildeten Fachkräften und drücken sich vor der Verantwortung. Statt selbst in Ausbildung zu investieren, setzen sie auf Hochschulabsolventen oder ziehen es vor, ausgebildete Fachkräfte von der Konkurrenz abzuwerben. Die so geschürte Angst vor dem Verlust des teuer ausgebildeten Nachwuchses schreckt wiederum kleinere Betriebe ab, selbst auszubilden. Ein Teufelskreis, den die Bundesregierung mit ihren Sofortprogrammen nicht zu durchbrechen weiß.

Hier kommt die Ausbildungsplatzumlage ins Spiel. Diese Umlage würde alle Unternehmen verpflichten, einen Beitrag zur beruflichen Ausbildung zu leisten. Betriebe, die bisher die Kosten für Azubis scheuen, würden damit in die Pflicht genommen. Betriebe, die bereits ausbilden, würden entlastet. Diejenigen, die nicht ausbilden, müssten einzahlen. Dabei steht eine solche Umlage längst nicht mehr unter dem Verdacht eines planwirtschaftlichen Steuerungsmechanismus: Das Land Bremen hat im vergangenen Jahr ein Ausbildungsunterstützungsfondsgesetz verabschiedet. Der Fonds wird im Ausbildungsjahr 2024/2025 mit einem Budget von 42 Millionen Euro starten. Eingezahlt wird von allen ansässigen Betrieben eine Umlage in Höhe bis zu 0,3 Prozent der Bruttolohnsumme pro Beschäftigtem. Betriebe, die ausbilden, erhalten 2.500 Euro pro Ausbildungsvertrag und Jahr, während weitere zehn Millionen Euro für Maßnahmen der überbetrieblichen Ausbildung für nicht versorgte Bewerber aufgewandt werden. Was viele Jahre als Forderungsflugblatt in den Schubladen der Gewerkschaftsjugend lag, wird nun in Bremen Realität – und damit der Weg geebnet, auch bundesweit lauter über die Vorteile eines solchen Umlagesystems zu diskutieren.

Länder wie Dänemark machen es vor: Dort gibt es bereits erfolgreiche Ausbildungsfonds, die durch Umlagen finanziert werden. Auch in Deutschland gibt es positive Beispiele, etwa im Bauhauptgewerbe oder in der Pflege tragen solche Umlagen bereits erfolgreich zur Sicherung der Ausbildung bei. Die Modelle haben zwar Schwächen, zeigen aber, dass eine Umlage nicht nur die Anzahl der Ausbildungsplätze erhöht, sondern auch die Qualität der Ausbildung verbessert. In Frankreich wird mit einer Weiterbildungsumlage sogar besonders differenziert: Unternehmen müssen 1,6 Prozent ihrer Bruttolohnsumme für Weiterbildung aufwenden. Für den Einsatz von Leiharbeitern und befristet Beschäftigten werden jedoch höhere Abgaben fällig. Die Botschaft ist klar: Aus- und Weiterbildung statt prekärer Beschäftigung.

Die Autoren des wissenschaftlichen Beraterkreises von Verdi und IG Metall räumen in ihrer Broschüre mit verfassungsrechtlichen Bedenken auf und enden offensiv mit einem Entwurf und einer Modellrechnung für eine Ausbildungsplatzabgabe. Bei einer Umlage von nur einem Prozent der Bruttolohnsumme stünden mehr als 13 Milliarden Euro zur Verfügung, um Ausbildung zu ermöglichen oder zu unterstützen.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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