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Aus: Ausgabe vom 01.08.2024, Seite 11 / Feuilleton
Olympia-Telegram

Poppers Säbel

Von Jürgen Roth
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»Da wiederholen sie zum Beispiel ein Match der deutschen Basketballerinnen, und nichts von dem, was der Kommentator und die zwei Expertinnen von sich geben, ist satisfaktionsfähig«

Ich sitze vor dem »Seven Bistro« und schaue meine Aufzeichnungen durch, diese täglich gemächlich erweiterte Sammlung von Sprachtrümmern und -verstümmelungen.

Der Ehrgeiz der vergangenen Jahre, in denen ich während sportlicher Großveranstaltungen Berge von Schmierpapier vollgekritzelt habe, fehlt mir heuer. Ich höre meist nur mit einem halben oder einem Viertelohr zu, und wenn ich, wie vorgestern, nachts nicht schlafen kann, gucke ich »Der Olympia-Tag« auf Eurosport. Da wiederholen sie zum Beispiel ein Match der deutschen Basketballerinnen, und nichts von dem, was der Kommentator und die zwei (2!) Expertinnen von sich geben, ist satisfaktionsfähig. Die Idee, die Übertragung exemplarisch zu protokollieren und zu sezieren, verwerfe ich.

Ich habe in dieser Zeitung mal das Gesetz der umgekehrten Proportionalität formuliert: je weiter draußen eine Disziplin an den Rändern des medialen Interesses, desto besser die Kommentatoren. Das bedeutet (hier greift das Peter-Prinzip): Diejenigen, die im Zentrum stehen, die Moderatoren und die Fußball- und die Schwimmkommentatoren etwa, sind die Penetrantesten, die Unfähigsten, die unerbittlichen Schänder des Geistes. Ich nenne bloß Peter »ARD« Großmann (»knapper Sport«, »Die Uhren waren ziemlich herausgefordert«) und den eitlen Eimer A. »ARD« Bommes (»Boot und Spiele«, vor dem Kanuslalom der Männer).

»Jetzt muss ich hier leider der harte Brecher sein« (Bomm.), das Sujet wechseln und bei einem doppelten russischen Wodka scharf darüber sinnieren, ob der Herr Redakteur Merg richtigliegt, da er mir schreibt: »Wissen wir nicht noch alle, wie Adorno und Popper einst bei Olympia den Positivismusstreit mit dem Degen ausgefochten haben?«

Lediglich halb liegt er richtig. Adorno trat nämlich mit dem Florett und Popper mit dem Säbel an – von Waffengleichheit ergo keine Spur, Ausgang klar. Und deshalb sieht das deutsche Fernsehen heute so aus, wie es aussieht: weithin ein erbärmliches positivistisches Gehacke, zeitgemäß im Schlumpf- und kreischend bunten Flauschigewand dargeboten.

Noch einen Doppelten, Herr Ober!

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  • Leserbrief von Sabine Bartsch aus Oderbruch (1. August 2024 um 17:52 Uhr)
    Woher hat das »Seven Bistro« noch russischen Wodka?! Ich wechsele sofort meine Stammkneipe.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (31. Juli 2024 um 22:25 Uhr)
    ... und wo bleibt Ockham mit seinem Rasiermesser?

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