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Aus: Ausgabe vom 01.08.2024, Seite 15 / Betrieb & Gewerkschaft
Britische Gewerkschaften

Risse im Bündnis mit Labour

Großbritannien: Sieben Gewerkschaftschefs kritisieren Regierung für ihren Umgang mit der Armut. Widerstand gegen Pläne zur »CO₂-Neutralität«
Von Dieter Reinisch
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Weit weg vom Parlament: Arbeiter, Arme, Gewerkschaften (London)

Keir Starmer und sein Team scheinen von Erfolg zu Erfolg zu eilen. Selbst die Fortsetzung der harten Migrationsmaßnahmen seines Vorgängers Rishi Sunak stieß kaum auf öffentlichen Widerspruch. Am Montag begann die Regierung dann mit der Wiederverstaatlichung der Eisenbahnen. Vor mehr als 30 Jahren wurden sie privatisiert, was zu schlechtem Service, hohen Defiziten und erodierender Sicherheit führte. Am selben Tag verkündete Labour ein verbessertes Angebot an die Assistenzärzte, um deren Arbeitskampf nach fast zwei Jahren zu beenden.

»Rund 22 Prozent« ist das neue Angebot – nicht ganz die 35 Prozent, die die Gewerkschaft British Medical Association (BMA) ausgegeben hatte, aber um ein Vielfaches höher als die mageren einstelligen Angebote der konservativen Regierungen. Beide Maßnahmen werden von den Gewerkschaften durchweg gefeiert. Die Wiederverstaatlichung der Bahn war lange Zeit eine der zentralen Forderungen der Bahngewerkschaften RMT und ASLEF.

Dennoch zeigten die ersten Wochen der neuen Regierung bereits die sich auftuenden Risse im Bündnis zwischen dem Regierungschef und den Gewerkschaften. Das wurde am 23. Juli deutlich, nachdem sieben Labour-Abgeordnete mit den schottischen Nationalisten der SNP für ein Gesetz zur Bekämpfung der Kinderarmut gestimmt hatten. Der Gesetzentwurf sah vor, die bisherige Praxis, nach der bestimmte Unterstützung nur für die ersten beiden Kinder gewährt wird, abzuschaffen. Die Labour-Fraktion aber war angewiesen worden, gegen die SNP-Forderung zu stimmen. Noch in derselben Nacht wurden die sieben Labour-Abgeordneten von Starmer für sechs Monate suspendiert. Darunter sind die bekannten Abgeordneten Zarah Sultana, John McDonnell und Rebecca Long-Bailey.

Vor allem aus den Gewerkschaften, die traditionell dem linken Labour-Flügel nahestehen, wurde in der Folge Kritik an Starmer laut. Zehn Gewerkschaftsvorsitzende forderten in einem Brief an Starmer die Abschaffung der Zwei-Kind-Grenze und die »sofortige Wiedereinstellung« der sieben Abgeordneten, die suspendiert worden waren. Initiiert hatte den Brief Jo Grady, die Generalsekretärin der Universitätsgewerkschaft (UCU). Unterzeichnet haben ihn unter anderem Mick Lynch von der Eisenbahner- und Transportgewerkschaft RMT, Daniel Kebede von der Lehrergewerkschaft oder Michelle Stanistreet von der Journalistengewerkschaft.

Matthew Wrack, Generalsekretär der Feuerwehrgewerkschaft, ebenfalls ein Unterzeichner des Briefs, schrieb in einer Stellungnahme: »1,6 Millionen Kinder sind von der Zwei-Kind-Obergrenze betroffen, und 300.000 Kinder leben infolgedessen in Armut. Die sieben Abgeordneten, die für die Abschaffung der Obergrenze gestimmt haben, sprachen für Millionen Gewerkschaftsmitglieder und viele Labour-Mitglieder.«

Und auch in anderen Bereichen regt sich Widerstand aus den Gewerkschaften gegen die Labour-Regierung. Vor allem die Pläne, Großbritannien in den nächsten Jahren »CO2-neutral« zu machen, ist den Gewerkschaften ein Dorn im Auge. Denn Energieminister Edward Miliband hat angekündigt, die von Sunak im vergangenen August angekündigte Vergaberunde für neue Öl- und Gaslizenzen in der Nordsee auszusetzen. Der Widerstand dagegen geht von den Gewerkschaften GMB und Unite aus. Letztere hat bereits vor den Wahlen die Kampagne »Kein Stopp ohne Plan« gestartet.

Denn an der Förderung in der Nordsee hängen rund 20.000 Arbeits­plätze – überwiegend in der schottischen Region um Aberdeen. Bei einem Protest in der Stadt Ende Juni sagte Unite-Regionalbeauftragter Vic Fraser, der Nordosten werde »dezimiert«, wenn es keinen geeigneten Plan zur Sicherung der Arbeitsplätze gebe: »Familien sind von den Einnahmen aus der Nordsee abhängig.« Miliband verspricht zwar, dass die Umstellung auf die Energiegewinnung aus erneuerbaren Trägern 53.000 Arbeitsplätze schaffen würde, doch konkrete Pläne dazu hat Labour bislang nicht vorgelegt. GMB und Unite zweifeln aber an den Angaben.

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