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Aus: Ausgabe vom 03.08.2024, Seite 4 / Inland
Faschist vor Gericht

Rechte Szenegröße soll hinter Gitter

Sachsen-Anhalt: Neonazi Liebich unterliegt in Berufungsverfahren vor Landgericht Halle
Von Henning von Stoltzenberg
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Kein Unbekannter: Sven Liebich (M.) vor dem Gerichtssaal bei der Sicherheitskontrolle (Halle, 2.8.2024)

Der einschlägig berüchtigte Neonazi Sven Liebich aus Sachsen-Anhalt soll für anderthalb Jahre ins Gefängnis. Das Landgericht Halle (Saale) hat am Freitag die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen eine Entscheidung des Amtsgerichts Halle als unbegründet verworfen. Dabei geht es um eine Reihe von Straftaten, die Liebich vor allem bei von ihm veranstalteten Kundgebungen in der Großstadt begangen haben soll. Er wurde in allen 17 Anklagepunkten schuldig gesprochen. Als die Richterin mit der mündlichen Begründung des Urteils begann, verließ der Neonazi den Gerichtssaal.

Das Amtsgericht Halle hatte Liebich im Juli 2023 unter anderem wegen Volksverhetzung, übler Nachrede und Beleidigung sowie Billigung des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine zu einem Jahr und sechs Monaten Haft verurteilt. Seine verbalen Attacken hatten sich laut Anklageschrift unter anderem gegen eine Journalistin und einen Journalisten gerichtet. Die Gefängnisstrafe droht dem Neonazi auch, weil er über einen Onlineversand einen Baseballschläger mit der Aufschrift »Abschiebehelfer« zum Verkauf angeboten haben soll. Das sei nur so zu verstehen, dass der Schläger »als Hilfsmittel zur gewaltsamen Abschiebung genutzt werden soll«, zitierte der MDR am Freitag aus der mündlichen Begründung der Richterin.

Außerdem soll Liebich Teilnehmende einer Kundgebung Ende 2019 gezielt zum Hass gegen Geflüchtete aufgestachelt haben. Wegen ähnlicher Delikte war Liebich bereits zu Geldstrafen oder Bewährung verurteilt worden: unter anderem vor zwei Jahren rechtskräftig wegen Volksverhetzung und Verleumdung der Grünen-Politikerin Renate Künast und des früheren SPD-Chefs Martin Schulz zu zehn Monaten auf Bewährung und 250 Stunden gemeinnütziger Arbeit.

Eine frühere, zur Bewährung ausgesetzte Verurteilung »hätte der Angeklagte zum Anlass nehmen müssen, weitere Straftaten abzuwenden, wenn er nicht in Haft will«, sagte die Richterin laut Legal Tribune Online (Freitagausgabe). Seit den 1990er Jahren gehört der heute 53jährige zu den führenden Köpfen der Neonaziszene in Sachsen-Anhalt. Neben seiner früheren Erwerbstätigkeit als Angestellter des Finanzamts war er Versandhändler, Ladenbetreiber und galt als treibende Kraft hinter der inzwischen verbotenen »Blood and Honour«-Sektion Sachsen-Anhalt.

Seit 2014 organisiert Liebich regelmäßig Kundgebungen auf dem Marktplatz und weiteren Plätzen in Halle. Trotz geringer Teilnehmerzahl sorgen die rechten Versammlungen oftmals dafür, dass die öffentlichen Plätze in der Zeit zu faktischen No-go-Areas, unter anderem für migrantische Personen, werden. Bereits des öfteren hatte Liebich Personen von der Bühne aus angezeigt, die gegen seine Auftritte protestiert hatten. Immer wieder kam es auch zu Auseinandersetzungen mit antifaschistischen Demonstranten.

Die Entscheidung des Landgerichts vom Freitag ist noch nicht rechtskräftig. Binnen einer Woche können Staatsanwaltschaft und Verteidigung Revision einlegen. Dann müsste das Oberlandesgericht Naumburg entscheiden, ob Rechtsfehler vorliegen.

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