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Aus: Ausgabe vom 03.08.2024, Seite 5 / Inland
Preisabsprachen im Einzelhandel

Saures aus der Halloren-Fabrik

Ostdeutsche Schokoladenmanufaktur verweigert Preisdiktat, nimmt ihre Pralinen aus dem Lidl-Sortiment und schickt Arbeiter in Kurzarbeit
Von Susanne Knütter
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Wegen des geringen Kakaoanteils juristisch gesehen keine Pralinen: Halloren-Kugeln

Der Kakaoanteil ist nicht sehr hoch. Nur 17 Prozent stecken in den Halloren-Kugeln. Dennoch kommt die hallesche Schokoladenfabrik angesichts der gestiegenen Kakaopreise ins Trudeln. Und weil das Unternehmen sie nicht an die Kunden weitergeben kann. Oder anders ausgedrückt, weil große Einzelhändler sich nicht an den gestiegenen Kosten beteiligen möchten. Am Donnerstag wurde bekannt, dass Halloren 280 bis 400 Beschäftigte bis Jahresende in Kurzarbeit schicken wird.

Hintergrund ist ein Streit um Preise mit Lidl, wie der MDR, die Mitteldeutsche Zeitung und andere Zeitungen berichteten. Der Geschäftsführer der ostdeutschen »Pralinen«-Manufaktur wirft dem Discounter demnach Dumpingpreise vor. Der Handelskonzern wolle nur 20 Prozent der gestiegenen Kosten übernehmen. Als Konsequenz will Halloren-Chef Darren Ehlert die Produkte aus den Lidl-Regalen vorerst abziehen. Das würde zwar den Einbruch eines Viertels des Umsatzes von Halloren bedeuten. Unter den Bedingungen des Großkunden wäre die Produktion den Angaben zufolge jedoch nur noch mit großen Verlusten möglich. Bereits vor einem Jahr zog Halloren seine Süßigkeiten aus Kaufland zurück.

Der Umsatz von der ältesten Schokoladenfabrik in Deutschland betrug im vergangenen Jahr rund 22 Millionen Euro, der Gewinn dem Geschäftsbericht zufolge 700.000 Euro. Die Kakaopreise haben sich binnen eines Jahres jedoch verdreifacht. Ende Juni kostete eine Tonne Kakaobohnen an der New Yorker Börse 7.400 US-Dollar (fast 7.000 Euro). Im März waren es zeitweise mehr als 10.000 Dollar. Grund sei eine sehr schlechte Ernte in den beiden Hauptanbauländern Côte d’Ivoire und Ghana in Westafrika. Zwar haben große Hersteller von Produkten, die Kakao enthalten, meist langfristige Verträge mit festen Preisen abgeschlossen. Auch Halloren erklärte Ende März, die Produktion sei bis Ende des Jahres gesichert, wie die Mitteldeutsche Zeitung berichtete. Im Schnitt liege der Kakaoanteil bei den verschiedenen Produkten aber bei rund 30 Prozent. Hinzu kommen die hohen Energie- und Rohstoffpreise in Folge des Ukraine-Krieges, die in den letzten zwei Jahren auf die Bilanz gedrückt haben.

Und da in den Preis der Waren die in ihnen enthaltenen Produktionskosten (Rohstoffe, Arbeitsmittel, Löhne, Marketing, Vertrieb) eingehen, können Unternehmen gestiegene Kosten entweder weitergeben oder Löhne senken. Erstes gestaltet sich schwer auf einem Markt, den vier große Einzelhandelsketten praktisch unter sich aufteilen. Lieferanten und Produzenten aus der Landwirtschaft und der Lebensmittelindustrie beklagen seit langem Preisdiktate und unfaire Bedingungen.

Bleibt die Option Löhne zu senken. Diesen Schritt ist Ehlert mit der Kurzarbeit nun im Grunde gegangen. Ob es vorübergehend ist, hängt unter anderem davon ab, ob das Geschäft an anderer Stelle ausgebaut werden kann, etwa indem mehr ins Ausland geliefert wird. Für die betroffenen Beschäftigten bedeutet Kurzarbeit, dass sie entweder weniger oder gar nicht arbeiten. Aus Steuern zahlt der Staat ihnen in der Regel 60 Prozent ihres entgangenen Lohns. Das aber maximal für ein Jahr.

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  • Leserbrief von Harald Kolbe aus Hannover (5. August 2024 um 11:03 Uhr)
    Susanne Knütter unterläuft eine kleine, aber wichtige Ungenauigkeit, wenn sie schreibt: "Und da in den Preis der Waren die in ihnen enthaltenen Produktionsmittelkosten ... eingehen, können Unternehmen gestiegene Kosten entweder weitergeben oder Löhne senken." In die Preise geht noch der Gewinn ein, so dass erhöhte Herstellungskosten auch durch einen geringeren Gewinnanteil ausgeglichen werden könnten oder durch einen Mix aus Weitergabe, Lohnsenkung und Gewinnminderung.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Gabriel T. aus Berlin (3. August 2024 um 09:39 Uhr)
    Hier schon wieder die Westpropaganda, nein die hohen Energie- und Rohstoffpreise in Folge des Ukraine-Krieges sind nicht Folge des Ukraine-Krieges, sondern bundesdeutschen Sanktionen geschuldet. Was soll das hier, da ist es dann schon sinniger gleich die TAZ oder die FAZ zu abonnieren.

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