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Aus: Ausgabe vom 03.08.2024, Seite 7 / Ausland
Asien-Pazifik-Raum

Pistorius auf Ostasientournee

Verteidigungsminister zeigt deutsche Kriegsbereitschaft in Südkorea und Philippinen. Das sorgt selbst im Berliner Establishment für Bedenken
Von Jörg Kronauer
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Kriegsminister Pistorius während Beitrittszeremonie zum United nations Command in Pyeongtaek am Freitag

Deutschland verankert sich weiter in den westlichen Militärstrukturen am Pazifik: Das ist das zentrale Ergebnis des Aufenthalts von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) in Südkorea, der diesen Sonnabend zu Ende gehen wird. Besonders deutlich zeigte sich das Berliner Bestreben, in der Asien-Pazifik-Region in Zukunft ernsthaft als militärischer Machtfaktor aufzutreten, am formalen Beitritt der Bundesrepublik zum United Nations Command (UNC). Der Zeremonie, mit der der Beitritt begangen wurde, wohnte Pistorius am Freitag persönlich bei. Das UNC, das ursprünglich bereits 1950 zu Beginn des Koreakriegs vom UN-Sicherheitsrat eingesetzt wurde, hat den offiziellen Auftrag, den Waffenstillstand an der Demarkationslinie zwischen Nord- und Südkorea zu überwachen. Nach Möglichkeit soll es auch den Dialog zwischen beiden Ländern fördern. Doch in dieser Hinsicht hat es zur Zeit aufgrund der politischen Lage praktisch nichts zu tun.

Anders als sein Name vermuten lässt, ist das UNC keine neutrale Institution, sondern fest in der Hand des Westens. Sein Hauptquartier ist in Camp Humphreys angesiedelt, einer US-Militärbasis südlich von Seoul. UNC-Kommandeur Paul LaCamera, ein Viersternegeneral der US Army, führt zugleich auch die US Forces Korea sowie das ROK/US Combined Forces Command, ein gemeinsames Hauptquartier der USA und Südkoreas, das im Fall eines Krieges die gemeinsamen Operationen der Streitkräfte beider Länder steuern würde. Es hat eine Reihe von Außenstellen in Südkorea und Japan, wo es auf der Yokota Air Base, einem US-Luftwaffenstützpunkt bei Tokio, eine weitere Kommandozentrale unterhält. Deutschland wollte dem UNC, das im Kriegsfall Südkorea unterstützen würde, bereits vor fünf Jahren als achtzehnter Staat beitreten. Das wurde jedoch 2019 vom damaligen Präsidenten Südkoreas, Moon Jae In, abgelehnt, um die Spannungen mit Nordkorea nicht noch weiter zu verstärken. Moons Nachfolger Yoon Suk Yeol, ein rechter Hardliner, stört sich an neuen Spannungen nicht.

Bevor Pistorius bei der Beitrittszeremonie symbolisch die deutsche Flagge übergab, wurde er von seinem südkoreanischen Amtskollegen Shin Won Sik mit militärischen Ehren empfangen. Themen waren unter anderem ein Ausbau der Kooperation in puncto Cybersicherheit wie auch Rüstungsfragen. Südkorea zählt seit Jahren zu den wichtigsten Käufern deutscher Rüstungsgüter, ist aber zur Zeit dabei, seine eigene Rüstungsindustrie zu entwickeln. Deren Exporte boomen, und sie beginnt, deutschen Waffenschmieden Absatzmärkte streitig zu machen, nicht zuletzt in der EU.

Geht alles nach Plan, wird Pistorius am Sonnabend Südkorea verlassen und auf die Philippinen weiterfliegen. Dort will er über die Intensivierung der bilateralen Militärbeziehungen verhandeln. In Manila waren erst am Dienstag die US-Minister für Äußeres, Antony Blinken, sowie für Verteidigung, Lloyd Austin, zu sogenannten Zwei-plus-zwei-Gesprächen mit ihren philippinischen Amtskollegen eingetroffen. Die Streitkräfte der Philippinen hielten am Freitag ihr erstes gemeinsames Manöver mit Japans Militär ab – im Südchinesischen Meer, wo sie am Mittwoch gemeinsam mit der US Navy Kriegsübungen durchgeführt hatten. Manila hat kürzlich ein Abkommen mit Japan geschlossen, das es beiden Staaten gestattet, Truppen in das jeweils andere Land zu entsenden – zu Manövern beispielsweise.

Die Kriegsbereitschaft, die die rot-gelb-grüne Bundesregierung im Pazifik zelebriert, bereitet sogar einigen außenpolitischen Experten im Berliner Establishment Sorgen. Im Mai etwa riet die Stiftung Wissenschaft und Politik explizit dazu, »die militärische Präsenz der Bundeswehr« doch lieber »auf den euroatlantischen Raum zu konzentrieren«. Die Asien-Pazifik-Manövertrips der Bundeswehr etwa machten vielleicht »symbolisch« Eindruck, doch löse das »Gebaren« der Ampelkoalition »angesichts der unstrittigen materiellen Defizite der Bundeswehr« etwa in den Vereinigten Staaten »eher Kopfschütteln« aus – und dies »auf beiden Seiten des politischen Spektrums« in Washington.

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