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Aus: Ausgabe vom 03.08.2024, Seite 8 / Inland
Import von Sojabohnen

»An Tiere aber sollte es nicht verfüttert werden«

Naturschutzvereine wollen über Umweltschäden durch Sojaimporte für Fleischproduktion aufklären. Ein Gespräch mit Fenna Otten
Interview: Henning von Stoltzenberg
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Mit dem Floß nach Norden: Aktivisten versetzen sich in mit Soja gefütterte Tiere hinein

Sie haben am vergangenen Wochenende die Aktionstour »Soja grillt Zukunft« gestartet. Was steht auf dem Programm?

»Robin Wood« und »Aktion Agrar« sind zur Zeit gemeinsam für zwei Wochen mit einem Holzfloß und Fahrrädern auf Tour. Entlang der Strecke von Magdeburg bis Hannover informieren wir Interessierte über Futtermittelimporte und deren Auswirkungen auf Umwelt, Tier und Mensch. Alle können unser Floß aus der Nähe angucken und am Infostand mit uns ins Gespräch kommen. Veggie-Bratwurst und Limo gibt’s gegen Spende, ebenso wie vielfältiges Bohnensaatgut für den eigenen Garten. Außerdem besuchen wir Höfe in der Region, halten Vorträge und laden Gäste aus Zivilgesellschaft und Politik ans Floß ein, um mit uns und dem Publikum über die Agrarwende zu diskutieren.

Sie bemängeln die Tierfütterung mit Soja hierzulande. Was ist Ihre Kritik daran, und womit sollten Tiere in Landwirtschaftsbetrieben statt dessen gefüttert werden?

Wir kritisieren das System der indus­triellen Tierproduktion grundlegend. Es führt dazu, dass Tiere auf Kraftfutter angewiesen sind und beispielsweise ein Schwein schon in sechs Monaten Schlachtgewicht erreicht. Statt mit Importsoja aus Südamerika sollten Tiere Futter aus der Region bekommen wie Klee und Ackerbohnen und nicht auf Hochleistung gezüchtet werden.

Das Soja kommt ganz überwiegend aus Monokulturen in Südamerika. Der Anbau geht dort einher mit Landraub und Ausbeutung. Durch den Flächenfraß der Sojabohne verschwinden tropische Regenwälder und artenreiche Savannen. Das sind wertvolle Flächen, mit denen wir nicht verschwenderisch umgehen dürfen. In Zeiten von Artensterben und Klimakrise brauchen wir eine Agrarwirtschaft, die intakte Ökosysteme schont und wiederherstellt.

Welche Gebiete in Südamerika sind betroffen, und wen machen Sie dafür verantwortlich?

Weltweit werden jedes Jahr etwa 396 Millionen Tonnen Sojabohnen, Sojamehl und Sojaöl hauptsächlich in Brasilien, den USA und in Argentinien produziert, wovon 238 Millionen Tonnen in Länder mit hoher industrieller Fleischproduktion exportiert werden. Deutschland steht global auf Rang acht der Fleischproduzenten. Während EU-Importe aus den USA abnehmen, wird mehr Soja aus Südamerika, vor allem aus Brasilien, aber zunehmend auch aus Paraguay und Uruguay bezogen. Das schädigt Ökosysteme des tropischen Regenwalds im Amazonas. Ein neuer Hotspot mit hoher Entwaldung und Umwandlung in Plantagen sind die Cerrado-Feuchtsavannen in Brasilien. Verantwortlich sind die Politik und die Agrarkonzerne. Deren Nachhaltigkeitsversprechen sind reine Symptombekämpfung, sie ändern nichts am Wachstumskurs und dementsprechend nichts am Raubbau.

Wie hat sich der Anbau zuletzt entwickelt?

Der weltweite Anbau von Sojabohnen hat sich in den vergangenen 50 Jahren mehr als verzehnfacht. 2021 betrug die Anbaufläche 123 Millionen Hektar und war damit etwa 3,5mal so groß wie Deutschland. Neben dem Verlust von Biodiversität kommt es immer wieder zu Konflikten zwischen mächtigen Agrarkonzernen und der lokalen Bevölkerung. Kleinbäuerliche Strukturen und regionale Ernährungssysteme werden zerstört.

Für welche Alternative setzen Sie sich ein?

Wir wollen eine sozial-ökologische Agrarwende, inklusive Abkehr von der Hochleistungsfleischproduktion und Stärkung der pflanzlichen Ernährung. Für den menschlichen Verzehr ist Soja bestens geeignet und eine prima Alternative zu Fleisch. An Tiere aber sollte es nicht verfüttert werden. Wir wollen, dass die Tierproduktion drastisch reduziert wird. In den Ställen stehen viel zu viele Tiere auf zuwenig Platz. Und wir wollen wilde, artenreiche Wälder erhalten.

An wen sind Ihre Forderungen gerichtet?

Direkt an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte. »Robin Wood« und »Aktion Agrar« haben gemeinsam eine Petition an die beiden gestartet. Darin fordern wir die Stärkung des regionalen Anbaus von Hülsenfrüchten sowie ein Gesetz gegen globale Entwaldung. Am Ende der Tour wollen wir uns mit Ministerin Staudte in Hannover treffen und ihr den Handlungsdruck deutlich machen.

Fenna Otten ist Tropenwaldreferentin bei »Robin Wood« e. V.

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