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Aus: Ausgabe vom 03.08.2024, Seite 8 / Ansichten

Auftakt zur Wende?

Gefangenenaustausch und Ukraine-Krieg
Von Reinhard Lauterbach
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Russische Beamte, darunter Präsident Wladimir Putin, nehmen an einer Zeremonie zur Begrüßung russischer Staatsangehöriger teil

Man sollte in den Gefangenenaustausch zwischen Russland und dem Westen nicht zuviel hineingeheimnissen. Solche Austausche hat es auch im ersten Kalten Krieg von Zeit zu Zeit gegeben, es gibt sie sogar zwischen den Kriegsgegnern Russland und Ukraine. Das einzige, was aus der Tatsache dieser Austausche hervorgeht, ist, dass es zwischen Russland und den USA nach wie vor Gesprächsebenen gibt. Mehr nicht, aber immerhin das.

Ob solche Gesprächsebenen auch im Interesse einer Beendigung des Ukraine-Krieges genutzt werden können, hängt vom Willen der Beteiligten ab. Die USA haben signalisiert, dass in dieser Sache »die Ukraine die Führung haben« solle. Das ist natürlich sachlich gelogen; ein Stopp oder eine Reduzierung der Waffen- und Finanzhilfe aus den USA oder auch den EU-Staaten würde die Kiewer Führung sehr schnell gesprächsbereit machen, wenn auf US-Ebene das Interesse daran bestünde. Die Aussage von Sicherheitsberater Jacob Sullivan über die angebliche ukrainische Führungsrolle bei künftigen Verhandlungen bedeutet also in Wahrheit, dass die USA an einer solchen Lösung zumindest einstweilen nicht interessiert sind.

Russland übrigens auch nicht. Kremlsprecher Dmitri Peskow hat gesagt, im Prinzip würde Moskau schon verhandeln – aber nur zu seinen Konditionen, und die hat Wladimir Putin im Juni noch einmal verschärft. Und Russlands Truppen in der Ukraine sind Tag für Tag dabei, diese Konditionen von einer Forderung zu einer Realität zu machen – ob es dem Westen gefällt oder nicht. Jeder Monat, den der Krieg weitergeht, vergrößert im übrigen in der Ukraine die Zerstörungen und macht somit den Wiederaufbau für den Westen – konkret, die EU, an der diese Aufgabe hängenbleiben wird – teurer. Russland hat ja dem EU-Beitritt der Ukraine, anders als dem zur NATO, nie öffentlich widersprochen. Dass die EU sich an der Ukraine überhebt, ist nur in seinem Sinne.

Zwar mehren sich auch in Washington und Brüssel die internen und halblauten Stimmen, die nach Szenarien für einen Ausstieg aus dem Krieg suchen. Aber das Problem ist, dass ein Friedensschluss ohne klaren Sieg über Russland – der sich nicht abzeichnet – für den Westen eine doppelte Blamage wäre: Erstens in bezug auf den eigenen Anspruch, die Regeln für die »regelbasierte Weltordnung« zu setzen. Zweitens aber, weil ein Friedensschluss unter Verlusten für die Ukraine ein Signal an alle weltweiten Klientelstaaten wäre, welche Risiken es für das eigene Land mit sich bringt, sich den USA anzudienen. Nämlich, im schlimmsten Fall mit den Kosten eines in deren Interesse geführten Krieges alleingelassen zu werden.

Wolodimir Selenskij versucht gerade, sich aus dieser Falle herauszuwinden. Er hat zuletzt erklärt, über eventuelle territoriale Zugeständnisse müssten die Ukrainer in einem Referendum entscheiden. Damit nicht er die Verantwortung für das wohl Unvermeidliche zu übernehmen braucht.

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  • Leserbrief von Volker Wirth aus Berlin (5. August 2024 um 11:06 Uhr)
    Der Wiederaufbau in der Ukraine wird Monat für Monat teurer, speziell für die EU? Diese Kosten, da muss man nur nach Mariupol schauen, wird zum größten Teil Russland zu tragen haben und trägt sie auch. An der EU wird sehr wenig davon hängenbleiben. Denn die Kämpfe finden vorwiegend im russischsprachigen Teil der Ukraine statt, den die russische Armee nach und nach erobert und kaum je wieder verlassen wird. Selbst Charkow und Odessa ("Charkiw und Odesa") wird das wohl noch betreffen, aufgrund der westlich-ukrainischen Unnachgiebigkeit. Ob "alle Ukrainer", einschließlich der notorischen "Russenfresser" aus der bisher kaum vom Krieg direkt betroffenen Westukraine, das nun billigen oder nicht. Die örtliche Bevölkerung müsste gefragt werden! Am besten unter UN-Kontrolle.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Rainer Erich K. aus Potsdam (2. August 2024 um 21:21 Uhr)
    Der Ukraine ist, spätestens seit Ausbruch des provozierten Konfliktes mit Russland, schrittweise die Souveränität abhandengekommen. Je länger der Konflikt dauert, umso offensichtlicher ist das. Das Regime des Herrn Selenskyj ist sowohl finanziell als auch militärisch vollständig von seinen Geldgebern, vor allem den USA und der EU, abhängig. Ob der Westen noch intern an einen militärischen Sieg gegen Russland glaubt, darf bezweifelt werden. Man weiß allerdings nicht, wie man sich ohne Gesichtsverlust aus dem Staub machen kann. Daher die nach außen getragene Siegespropaganda. Leider sterben neben vielen ukrainischen, auch russische Soldaten. Und das scheint für den Westen Priorität zu haben, hat man doch von Statements gelesen, wonach man Russland soviel, wie möglich schaden will. Und hierfür ist man bereit, das Leben hunderttausender Stellvertreter aus der Ukraine zu opfern.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (2. August 2024 um 20:57 Uhr)
    Der Wertewesten hätte ja 2021 die Möglichkeit gehabt, die geforderten Sicherheitsgarantien für die Russische Föderation zu geben. Oder hätte wenigstens Verhandlungsbereitschaft dafür signalisieren können. Aber die arroganten StümperInnen mit maßloser Selbstüberschätzung, die seit Jahrzehnten weltweit eine Pleite nach der anderen organisieren, waren nicht aufzuhalten – und sind es immer noch nicht. Ihr Kalkül dürfte sein, den Krieg noch ein paar Jahre länger führen zu lassen und das, was durch Umgehung der Minsker Abkommen nicht gelungen ist, in Mittel- und Osteuropa zu etablieren: die Fähigkeit zum Enthauptungserstschlag gegen die Russische Föderation. Die einschlägigen Äußerungen aus Moskau dazu werden in gewohnter Weise ignoriert. Wenn einer hierzulande der Arsch auf Grundeis geht, hat sie allen Grund dazu.

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