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Aus: Ausgabe vom 03.08.2024, Seite 8 / Ansichten

Rekrutenbeschaffer des Tages: Joe Weingarten

Von Nico Popp
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Die Pflicht ruft: Joe Weingarten (Berlin, 22.3.2024)

Die Debatte über die Soldatenbeschaffung für den Ukraine-Krieg wird so langsam in die Zone des konkreten Staatshandelns überführt. Soeben machte sich das SPD-geführte hessische Arbeits- und Sozialministerium nützlich: Es will »ukrainischen Männern im wehrfähigen Alter« – etwa 20.000 gibt es davon in Hessen – »grundsätzlich keine deutschen Ersatzreiseausweise« mehr ausstellen, weil zumutbar sei, dass diese Männer in die Ukraine reisen. Zur Passbeschaffung – und um »der Wehrpflicht nachzukommen«.

Ruckzuck zur Stelle, um diese Beschlusslage für gut zu befinden, war der SPD-Bundestagsabgeordnete Joe Weingarten. Der Ministerialbeamte aus Rheinland-Pfalz ist 2019 für die auf Versorgungsposten höherer Ordnung abberufene Andrea Nahles in den Bundestag nachgerückt, wo lange kein Mensch von seiner Anwesenheit Notiz nahm. Seit 2022 aber ist Weingarten vorneweg dabei in jener Kompanie von »Verteidigungspolitikern«, die mit Bekenntnissen zur Herstellung der Kriegstüchtigkeit um Aufmerksamkeit wetteifern. Zu Hause im Wahlkreis Kreuznach macht Feldwebel Joe unermüdlich Druck bei der Aufmöbelung der Artillerieschule in Idar-Oberstein: Dass die erst nach 2040 umfassend saniert sein soll, sei, polterte er im März, »nicht akzeptabel«. In der SPD-Bundestagsfraktion ist der rechte Flügelmann einer der wildesten Durchhaltepolitiker in Sachen Ukraine.

Nur müssen da eben auch die ­Ukrainer ein bisschen mithelfen. »Ich habe Verständnis für diese Regelung und halte sie auch für vernünftig«, sagte Weingarten am Freitag dem Tagesspiegel mit Blick auf die Neuigkeiten aus Hessen. Es könne doch nicht sein, »dass die einen Ukrainer in einem schweren Abwehrkampf den Kopf hinhalten und die anderen sich hier in Deutschland dieser Pflicht entziehen«. »Den Kopf hinhalten« muss Schütze Arsch, wenn der Staat das zur »Pflicht« erklärt – da kennt Genosse Weingarten kein Erbarmen. Es geht schließlich um die Ukraine, nicht um die Ukrainer.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (2. August 2024 um 19:57 Uhr)
    Mich deucht, dem Herrn Weingarten würde eine Auffrischwehrübung guttun. Falls dem Feldwebel kein Helm von der Stange passt, stelle ich gern mein Karosserieausbeulwerkzeug für eine Maßanfertigung zur Verfügung. Geht es wirklich um die Ukraine? Ich meine, es geht um die Aufrechterhaltung der noch bestehenden Hegemonie. Da spielt noch weit mehr als Ukrainer und Ukraine keine Rolle.

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