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Aus: Ausgabe vom 03.08.2024, Seite 14 / Leserbriefe

Aus Leserbriefen an die Redaktion

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Kriege sind Niederlagen

Zu jW vom 29.7.: »Die Abschaffung des Krieges«

Man kann einen Krieg nicht »abschaffen«, ohne auf die ihn ermöglichenden Bedingungen einzugehen. Was hingegen immer möglich ist, ist der sofortige Waffenstillstand. Was weiter möglich ist, sind kluge Verhandlungen, die stets im Auge haben müssen, dass die Kriegsparteien ihr Gesicht wahren können. Bezüglich Russland-Ukraine-Krieg sprechen die Verantwortlichen noch immer von Sieg oder Niederlage. Dieses Denken führt nicht weiter. Ein Krieg ist immer eine Niederlage der Menschheit.

Ohne die Anwendung moderner tiefenpsychologischer Kenntnisse wird sich auch die Frage nicht klären lassen, warum junge Menschen überhaupt in den Krieg ziehen. Alfred Adler aus der Wiener Schule war einer der Protagonisten, die sich dieser Frage annahmen. Die Fachwelt wandte sich mehrheitlich leider Freud zu, doch dieser war für den Krieg. Das passte den Herrschenden. Mit der Schrift von Pierre Ramus »Die Friedenskrieger des Hinterlandes« gelang ein anarchistisch inspiriertes Werk. Es zeigt die tiefen Zusammenhänge in der Psyche des einzelnen, in der psychischen Verfassung der damaligen Gesellschaft und dem Staat. Pierre Ramus gehört in die Aufzählung der Antikriegsliteratur unbedingt hinein.

Barbara Hug, Schweiz

Ja und nein

Zu jW vom 27./28.7.: »›Geh ein in Walhall!‹«

Im Jahre 1935 veröffentlichte der Hamburger Professor der klassischen Philologie Bruno Snell in der wissenschaftlichen Zeitschrift »Hermes« einen Aufsatz mit dem Titel »Das I-Ah des goldenen Esels«. Es ging darin auf lediglich einer einzigen Druckseite und ohne eine einzige Fußnote um die Frage, weshalb ein Esel in dem Roman des lateinischen Autors Apuleius immer nur »O« sagt. Snell fand heraus, dass er im griechischen Original »ou« gesagt haben muss – ein Wort, das »nicht« oder »nein« bedeutet. Am Ende des Artikels stellt er fest, es sei doch bemerkenswert, »dass das einzige wirkliche Wort, das ein griechischer Esel sprechen konnte, das Wort für ›nein‹ war, während kurioserweise die deutschen Esel gerade umgekehrt immer nur ›ja‹ sagen.« In einer Ausgabe von Snells »Kleinen Schriften« wird diesem Aufsatz ein Foto einer Litfaßsäule hinzugefügt, auf der ein Aufruf im Rahmen der Kampagne der Nazis zur Volksabstimmung vom 19. August 1934 prangt: »Ein ganzes Volk sagt zum 19. August: Ja.«

Lothar Zieske, Hamburg

Eine Fundgrube

Zu jW vom 24.7.: »Theorien über die Mistgabel«

Wie schön, dass Marie Hewelt an Saul Ascher erinnert. Er ist nicht der einzige, an dessen Entfernung aus der Geschichte fleißig gestrickt wurde. Ich empfehle den Band »Jüdische und christliche Intellektuelle in Berlin um 1800«, herausgegeben von Cord-Friedrich Berghahn, Avi Lifschitz und Conrad Wiedemann (Wehrhahn-Verlag 2021). Eine Fundgrube!

Lisette Buchholz, Mannheim

Verstaatlichen

Zu jW vom 22.7.: »Geld für Hamburgs Turmbau«

Schockanrufe bei Bürgermeistern gehören zu den Enkeltricks der Baumafia. Das Ziel ist jedes Mal, dass die Stadtoberen, von Stadt- oder Gemeinderäten begeistert unterstützt, ein gut gefülltes, inzwischen meist Hunderte Millionen Euro schweres Steuersäckel zur Abholung vors Ratshausportal stellen. Landesfürsten sind, trotz meist juristischer Grundbildung oder wenigstens Beiordnung von Rechtsbeiständen, völlig überfordert, finanzielle Folgen auch nur im geringsten wahrzunehmen.

So berichtete der Käufer einer Eigentumswohnung im »Steglitzer Kreisel« in Berlin, dass auf seinem Apartment, »einer Eigentumswohnung mit Sonnenuntergangsbalkon«, eine exorbitant hohe Grundschuld laste. Später erwähnte er, das gesamte Immobilienunternehmen sei durch die astronomische Summe von 4,3 Milliarden Euro belastet. Kosten, die spätere Käufer übernehmen müssen. Wenn nicht Land oder Stadtlenker Millionen Euro zusammenkratzen.

Das »Steglitzer Kreisel«-Drama zieht sich seit fast sechs Jahrzehnten hin. Wobei das 120-Meter-Hochhaus, heute konzipiert für etwa 330 Luxuswohnungen, bereits Milliarden verschlungen hat und trotzdem nur ein Baugerippe ist. Es dokumentiert die Verantwortungslosigkeit des Staates gegenüber Bauspekulanten, die Ohnmacht der Bürger gegen den Staat und jene Unternehmen, die ich meine als Würgeschlangen erkennen zu können. Der ehemalige Stakeholder der CG Gruppe (die 2017 das Gebäude kaufte und in ein Luxuswohnhaus umwandeln wollte, jW), Christoph Gröner, ist nach Verkauf des Kreisels nach Karlsruhe weitergepilgert, nachdem er 2017 die CDU-Wahlwerbung förderte und 2020 für die CDU noch einmal 820.000 Euro nachlegte. Immer, auch bei SPD, Grünen, FDP oder Die Linke, sprudelte der Subventionsfluss wie gewünscht.

Immerhin ist der »Elbtower« doppelt so hoch, nährt die Kühne-Hoffnung nach entsprechend vielfach so hohen Subventionen. Warum aber nicht mal anders denken und für die Bauruine »Parkgebühren« erheben, den Bau, wenn nicht gezahlt wird, in öffentliches Eigentum überführen und ohne Spekulanten als Genossenschaft dem Elend ein Ende bereiten. Verluste hat Kühne steuerlich geltend gemacht.

Peter Groß, Bodenseekreis

Das neue »Normal«

Zu jW vom 25.7.: »Eine Million Rentner schuftet«

Und was nützt die ständige Wiederholung dieses eklatanten Missstandes, wenn daran nicht das Geringste geändert wird? Nun, ganz einfach: Man muss diesen nur oft genug benennen, dann wird er mit der Zeit zum neuen »Normal«. So trainiert man einer Rentnergeneration nach der anderen zunehmend das »Rentnern« ab, so dass man dann auch schon bald kaum noch von »Ruhestand«, sondern vorwiegend von »Endlebenstätigkeit« sprechen wird. Eine englische Bezeichnung für diese neue Generation der Rollator-Malocher gibt es ja bereits: Silver-Jobber.

Reinhard Hopp, Berlin

Was hingegen immer möglich ist, ist der sofortige Waffenstillstand. Was weiter möglich ist, sind kluge Verhandlungen, die stets im Auge haben müssen, dass die Kriegsparteien ihr Gesicht wahren können.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!