Gegründet 1947 Sa. / So., 02. / 3. November 2024, Nr. 256
Die junge Welt wird von 2974 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 07.08.2024, Seite 15 / Antifaschismus
Spanien

Faschisten trainieren Polizei

Spanien: Laut Vereinbarung mit Berufsvereinigung soll rechter Schlägertrupp 30.000 Beamte ausbilden
Von Carmela Negrete
15.jpg
Ministerpräsident Sánchez soll nach Marokko und Desokupa in den Regierungspalast: »Werbung« in Madrid (4.7.2023)

Es klingt absurd: Die »Sicherheitsfirma« Desokupa und die spanische Berufsvereinigung Sindicato Unificado de Policía (Einheitsgewerkschaft der Polizei, SUP) verkündeten am Sonntag, das Unternehmen werde ab September »Selbstverteidigungskurse« für rund 30.000 Polizisten anbieten. Desokupa ist de facto eine faschistische Schlägertruppe, darauf spezialisiert, halblegale Zwangsräumungen durchzuführen, indem sie die Bewohner besetzter Häuser einschüchtert. Oft handelt es sich dabei um Arme, die in leerstehenden, von Banken gepfändeten Häusern leben. Die Generalsekretärin der SUP, Mónica Gracia, erklärte bei der Unterzeichnung des Vertrags, dass man »ein Problem auf den Straßen habe«, »Autorität« gelte nicht mehr, und »mit dieser Aktion wollen wir, dass die Polizisten sich sicherer fühlen«.

Der frühere Sprecher der reformistischen Partei Podemos, Pablo Echenique, Wissenschaftler im Obersten Rat für wissenschaftliche Forschung (CSIC), der größten öffentlichen Forschungseinrichtung Spaniens, hat daraufhin am Montag ein Video von Firmenchef Daniel Esteve geteilt, das der in den sozialen Netzwerken verbreitet hatte. In diesem fabuliert er über den sogenannten »Kalergi-Plan«, der angeblich auf Anordnung »von ganz oben« durchgeführt werden soll. Hinter dem angeblichen Plan steckt eine rassistische Verschwörungserzählung, wonach der Österreicher Richard Coudenhove-Kalergi (1894–1972) einen »Großen Austausch«-Plan entwickelt habe, um »weiße« Europäer gezielt mit Einwanderen aus Afrika und Asien zu »vermischen«.

»Es ist die Selbstvernichtung, um von Null anfangen zu können«, sagte Esteve in dem Video. Spanien sei »ein Failed State, wenn die Armee nicht auf die Straße geht, mit den Säuberungen anfängt und Massendeportationen durchführt.« Das sei kein Rassismus, versicherte er. Echenique stellt die Frage, ob auch Inhalte wie dieser Aufruf, die Armee gegen eine angebliche Migranteninvasion einzusetzen, Teil des Polizeikurses sein werden.

Am Sonntag gab es im Innenministerium von Fernando Grande-Marlaska offenbar noch Überlegungen, die Vereinbarung zwischen der dubiosen Firma und der Polizeivereinigung zu verhindern. Gegenüber der Nachrichtenagentur Efe verkündete das Ministerium, die »Selbstverteidigungskurse« seien sowieso nicht offiziell, obwohl sie von der SUP und Desokupa beworben werden. Das Ministerium wolle sich erkundigen, ob bei diesen Kursen »die demokratischen Werte« unterminiert werden, berichtete die Agentur. Vorerst bleibt es also dabei: Eine faschistische Bande, die Verschwörungstheorien verbreitet und arme Menschen drangsaliert, gibt Kurse für spanische Polizisten.

»Wir wollen den Polizisten beibringen, wie sie sich verteidigen können, damit sie nicht auf offener Straße, wie es in Europa passiert, mit Messern abgestochen werden«, sagte Esteve in einem auf Montag bei X veröffentlichten Video. »Sie (die Migranten, jW) fallen in Europa ein, es gibt Unruhen in mehreren Ländern (…), aber was die Linken stört, sind unsere Kurse. Nun, wir werden sie geben. Für die ganze Familie. So können sie sich gegen die Folgen eures Verrats verteidigen.«

Der Statistik zufolge ist Spanien eines der sichersten Länder der Welt, »doch das ist ihnen egal und passt nicht in ihre Narrative«, sagte der auf faschistische Bewegungen spezialisierte Autor und Wissenschaftler Miquel Ramos in der Sendung des Journalisten und TV-Moderators Jesús Cintora am Montag. »Sie (die Faschisten, jW) nehmen bestimmte Einzelfälle und tun dann so, als wäre das die Norm«. Es sei eine apokalyptische Erzählung, die darauf abziele, die Menschen zum freiwilligen Verzicht auf ihre Rechte zu bringen und sie an solche paramilitärische Gruppen abzutreten.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Regio:

Mehr aus: Antifaschismus