Vormarsch auf Kursk gestoppt
Von Reinhard LauterbachRussland ist es nach Darstellung der New York Times gelungen, den ukrainischen Vormarsch im Gebiet Kursk zumindest vorübergehend zu stoppen. Mit dieser Aussage zitierte das Blatt am Sonnabend die finnische Auswertungsplattform Black Bird Group, die Satellitenaufnahmen und »Informationen aus offenen Quellen« analysiert. Offizielle russische Darstellungen über ukrainische Verluste von über 1.000 Soldaten im Laufe einer knappen Woche sind nicht unabhängig zu überprüfen. Die Ukraine selbst teilt weiterhin kaum etwas über den Gang der Auseinandersetzung mit. Dass sie nach wie vor intensiv sein muss, geht aus der Anordnung des Zivilgouverneurs von Kursk hervor, 76.000 Zivilisten aus dem Grenzgebiet zu evakuieren. Auf ukrainischer Seite gilt dasselbe für 20.000 Bewohner der Grenzregion Sumi. Russland verhängte für das Grenzgebiet den Status der »Antiterroroperation«. Das bedeutet erweiterte Befugnisse für Armee, Polizei und Geheimdienst, liegt aber unterhalb der Schwelle für Ausnahme- oder Kriegszustand.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij sagte am Wochenende, Ziel der Operation auf russischem Boden sei es, die »historische Gerechtigkeit wiederherzustellen«. Britische Medien wie der Economist oder die Financial Times bezweifeln unterdessen die Zweckmäßigkeit des Vorstoßes. Die Ukraine habe kaum Ressourcen, um etwa das Atomkraftwerk in Kurtschatow oder die Gebietshauptstadt Kursk zu bedrohen.
Kritisiert wird auf westlicher Seite vor allem, dass es der Ukraine bisher nicht gelungen ist, die russische Offensive im Donbass in Richtung auf die Stadt Pokrowsk zu schwächen. Die Stadt liegt im Moment 15 bis 20 Kilometer hinter der Front und gilt als Knotenpunkt der ukrainischen Logistik in der Region. Außerdem sind die Bergwerke der Stadt die letzten unter ukrainischer Kontrolle, die die zur Metallverhüttung nötige Anthrazitkohle gewinnen.
Belarus hat als Reaktion auf die Kämpfe offenbar schwere Waffen ins Grenzgebiet zur Ukraine verlegt. Entsprechende Aufnahmen veröffentlichte das Verteidigungsministerium des Landes. In Russland war seit Beginn der ukrainischen Offensive kritisiert worden, dass Entspannungssignale von Präsident Alexander Lukaschenko gegenüber der Ukraine Kiew ermöglicht hätten, Truppen von der Grenze zu Belarus abzuziehen.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (12. August 2024 um 10:36 Uhr)In einem Abnutzungskrieg, der die ursprüngliche Strategie des Westens gegenüber Russland darstellt, sind nicht vorübergehende territoriale Gewinne entscheidend, sondern die langfristige Leistungsfähigkeit der beteiligten Volkswirtschaften. Die westlichen Lieferungen an die Ukraine waren entsprechend darauf ausgerichtet, das russische Militär an den Frontlinien bis zur US-Wahl in Schach zu halten, nicht jedoch, um russische Territorien zu erobern. Der ukrainische »Schachzug« mit der sogenannten »Kursker Offensive« hat die Russen zwar überrascht, wird sich aber bereits kurzfristig als sinnlos erweisen und könnte sich sogar nachteilig auf den weiteren Kriegsverlauf auswirken. Angesichts der aktuellen Lage an der Front und den für Anfang November angesetzten Friedensverhandlungen wird der Kreml mit hoher Wahrscheinlichkeit die Frontlinie bei Donezk durchbrechen und die in das Kursker Gebiet vorgedrungenen Kräfte »brutal vernichten«, um seine Blamage exemplarisch zu korrigieren. Die Ukraine hat mit dieser Überraschungsoperation letztlich nichts erreicht, da die anderswo eingesetzten Kräfte nun an der Front fehlen.
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