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Aus: Ausgabe vom 12.08.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Lateinamerika

Sandinisten im Gegenwind

Nicaragua: 45 Jahre nach dem Sieg der Revolution scheiden sich die Geister an Staatschef Ortega
Von Thorben Austen, Quetzaltenango
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Von der Hegemonialmacht angefeindet: Nicaraguas Staatschef Daniel Ortega auf Wandbild neben Venezuelas Hugo Chávez (Managua, 7.1.2022)

Der heute 78jährige Daniel Ortega, der sich als junger Mann der FSLN-Guerilla anschloss, hat Nicaragua bisher 22 Jahre lang als Staatschef regiert. Dazu kommen sechs Jahre, in denen er Mitglied des siebenköpfigen Regierungsrates des Nationalen Wiederaufbaus war. Nach Informationen des US-Auslandssenders Voice of America plant Ortega bei den Wahlen 2026 eine weitere Kandidatur. Laut Bericht von Anfang Juni wollen Aktivisten der Verbandes der Transporteure bereits mit der entsprechenden Kampagne beginnen. Auch die Vizepräsidentin und Ehefrau von Ortega, Rosario Murillo, wolle wieder antreten. Genutzt werden sollen im Wahlkampf 250 Busse aus China sowie Basecaps und Mützen, die für das Duo werben. Die Nachricht von VoA wurde bisher überwiegend von oppositionellen Medien aufgegriffen.

Ebenfalls in Zusammenhang mit der Frage einer möglichen erneuten Kandidatur von Ortega steht ein weiterer VoA-Bericht. Demnach soll bei dem ehemaligen Armeechef und Bruder von Daniel Ortega, Humberto Ortega, im Mai eine Polizeiaktion stattgefunden haben. Grund waren laut VoA Äußerungen von Humberto Ortega in einem Interview mit dem rechten argentinischen Webportal Infobae. In diesem hatte Humberto Ortega erklärt, dass sein Bruder keinen »Nachfolger« habe. Humberto Ortega wurde unter Hausarrest gestellt, schreibt VoA. Mittlerweile befindet er sich wegen eines Herzleidens im Militärkrankenhaus. »Ein Ärzteteam habe General Ortega besucht«, hieß es in einem Artikel des FSLN-nahen Portals El 19 Digital unter Berufung auf eine Mitteilung des Gesundheitsministeriums vom 21. Mai.

Daniel Ortega und Rosario Murillo sind die in der Öffentlichkeit zentralen Persönlichkeiten der Sandinistischen Nationalen Befreiungsfront (FSLN). Mehrere Kinder des Paares haben hohe Funktionen inne. So ist Laureano Ortega Murillo Berater des Präsidenten für Investitionen, Handel und internationale Beziehungen. Neben Ortega und Murillo treten auch Außenminister Denis Moncada, der im Juni entlassene Finanzminister Iván Acosta und FSLN-Fraktionschef Edwin Castro häufiger in den Medien auf.

Die Entwicklung des Landes insbesondere nach den Protesten von 2018 hat in der Solidaritätsbewegung in Deutschland zu Kontroversen geführt. Neben dem Umgang mit der Opposition wird die Ausweisung verschiedener NGOs kritisiert. Darunter sind renommierte Hilfsorganisationen wie Plan International und Medico International. Manuel Espinoza, Direktor des Centro Regional de Estudios Internacionales in Managua, hatte dazu im vergangenen Jahr gegenüber jW erklärt: »Die USA begannen etwa ab 2003, ein Netzwerk von NGOs aufzubauen. Ab 2007, als die FSLN wieder an die Regierung kam, begannen die Vorbereitungen für das, was die USA einen ›weichen Staatsstreich‹ nennen.«

Während ein Teil der deutschen Solidaritätsbewegung mittlerweile auf Distanz zum »Ortega-Regime« gegangen ist, bemüht sich Rudi Kurz vom Nicaragua-Forum in Heidelberg laut Domradio um eine »differenzierte Darstellung«. Im Interview mit dem Sender sagte er bereits im April: »Menschenrechte sind mehr, als nur eine US-genehme Regierung zu wählen. In Sachen sozialer Sicherheit hat die Regierung Positives erreicht. Kleinbauern brauchen keine Angst mehr zu haben, dass man ihnen das Land wegnimmt.«

In der Wirtschaftspolitik orientiert sich Nicaragua zunehmend an China. Damit will das Land auch vom Westen verhängte Sanktionen umgehen. Eines der großen Projekte ist der Neubau des Flughafens Punta Huete bei Managua. Anfang des Monats haben die Arbeiten begonnen. Bei einem anderen Großprojekt, dem Bau des Interozeanischen Kanals, wurde Anfang Mai dem chinesischen Unternehmen die Lizenz entzogen. Genaue Gründe wurden nicht bekannt. Das Webportal Amerika 21 schreibt, dass der »private Investor aufgrund von Kapitalverlusten wohl nicht in der Lage sein wird, den vorgesehenen Teil zum Kanalprojekt beizutragen«. Gegen das Projekt hatte es wegen der zu erwartenden ökologischen Folgen immer wieder Proteste gegeben.

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