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Aus: Ausgabe vom 12.08.2024, Seite 5 / Inland
Krankenhausreform NRW

Versorgungsmangel absehbar

Die Krankenhauspläne in Nordrhein-Westfalen bedeuten enorme Verschlechterungen. Bündnis von Experten und Betroffenen fordert Stopp der Reform
Von Gudrun Giese
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Gesundheitspolitik am Boden – oder: Klinikdesaster im bevölkerungsreichsten Bundesland (Duisburg, 13.12.2023)

Die nordrhein-westfälische Landesregierung wird zum Vorreiter bei folgenschweren Eingriffen in die Krankenhauslandschaft, wie sie auf Bundesebene Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) plant. Anfang August haben Kritiker das NRW-Konzept unter die Lupe genommen.

Am Beispiel von zwei dichtbesiedelten Regionen im flächenstärksten Bundesland zeigt das »Bündnis für ein gemeinwohlorientiertes Gesundheitswesen« eine Vielzahl an Schwachstellen der »Reformpläne« auf. Obwohl das Landesgesundheitsministerium angekündigt hätte, alle NRW-Bürger gleichwertig mit Gesundheitsleistungen zu versorgen, offenbarten die Pläne das Gegenteil: In einigen Städten und Kreisen kristallisierten sich Versorgungsmängel heraus, »während sich teilweise in Großstädten eine unstrukturierte und medizinisch kaum nachvollziehbare Verteilung von Leistungsgruppen offenbart«, die auch nicht mit der angekündigten Zentralisierung zusammenpasse.

Warten auf Rettung

Das Bündnis, das aus der Volksinitiative »Gesunde Krankenhäuser in NRW – für alle!« hervorgegangen ist und dem Beschäftigte des Gesundheitswesens, Patienten, Aktivisten, Vertreter des Sozialverbandes SoVD und der Gewerkschaft Verdi angehören, wehren sich seit langem gegen die Pläne der NRW-Landesregierung zur Krankenhausplanung. So gab es im Frühsommer mehrere Mahnwachen in Düsseldorf mit dem Ziel, den Planungsprozess zu stoppen. Nötig seien Diskussionen mit den Akteuren in der Gesundheitsversorgung sowie mit der Öffentlichkeit. Außerdem müssten zunächst neue Strukturen geschaffen und etabliert werden, bevor an Anpassungen in den Krankenhäusern gedacht werden könne. Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) blieb bei den kritisierten Plänen, zu denen sich das Bündnis nun äußerte.

Am Beispiel von zwei Versorgungsgebieten in NRW zeigten die Pläne gravierende Mängel in der rettungsdienstlichen Versorgung, bei der Versorgung lebensbedrohlicher Erkrankungen wie einem Aneurysma der Bauchschlagader, einem Schlaganfall, unfallbedingten Verletzungen sowie rund um die Geburtsmedizin. Im »Versorgungsgebiet eins«, das Düsseldorf, Remscheid, Solingen, Wuppertal und den Kreis Mettmann umfasst, sind bereits drei zentrale Notaufnahmen geschlossen worden, eine vierte soll folgen. Sämtliche Schließungen betreffen den Kreis Mettmann. Damit verlängerten sich die Fahrzeiten im Mittel auf dreißig bis vierzig Minuten pro Rettungsfall, wodurch sich die Versorgung deutlich verschlechtere. Aus anderen Gründen drohe auch dem »Versorgungsgebiet zwei« mit den Großstädten Essen, Oberhausen und Mülheim an der Ruhr künftig eine Unterversorgung. Hier sei die Vergabe der Leistungsgruppen für die Negativentwicklung verantwortlich.

Teure, lange Wege

Grotesk muten die Pläne bei der künftigen Versorgung eines Aneurysmas der Bauchschlagader an, denn dabei geht es buchstäblich um jede Sekunde. Doch Patienten mit dieser lebensbedrohlichen Erkrankung, die das Pech haben, im Kreis Mettmann zu wohnen, müssen künftig in eine der vier Großstädte. Im zweiten Versorgungsgebiet sollen Mülheimer Patienten mit Bauchschlagaderaneurysma in Zukunft in Essen oder Oberhausen behandelt werden. Und so geht es weiter: Versorgungsverschlechterungen stehen auch bei unfallbedingten Verletzungen des Brustkorbs, bei Gefäßnotfällen, Schlaganfällen sowie bei Schwangeren, Neugeborenen, Kindern und Jugendlichen an, ebenso in der Altersmedizin, bei Herzerkrankungen und in der Endoprothetik.

Gesundheitsminister Laumann habe erklärt, dass die Strukturen für die Menschen da sein müssten, nicht die Menschen für die Strukturen, betonen die Bündnisvertreter in ihrem Fazit. Die Realität sehe anders aus, denn die Krankenhausplanung in NRW bedeute weniger Qualität, deutlich teurere und längere Wege, die zu teilweise lebensbedrohlichen Situationen führen könnten. Die »Reform« müsse sofort gestoppt werden, fordert das Bündnis. Das Krankenhauswesen solle »regional und demokratisch geplant werden, unter Beteiligung der Menschen, die die Krankenhausarbeit leisten«. Und die regionalen Planungskonzepte sollten kommunale Aufgabe werden.

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  • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (11. August 2024 um 21:02 Uhr)
    »Reform« (= drastische »Verschlimmbesserung«) entwickelt sich zunehmend zu einem kollektiven Alptraum und zum Schreckenswort des 21. Jahrhunderts. Dabei war dieser Begriff früher sogar überwiegend positiv besetzt. Es gab sogar viele »Reformhäuser«. Die Älteren unter uns erinnern sich bestimmt noch daran. Olaf Scholz natürlich nicht. Von seinem Gruselkabinett ganz zu schweigen!

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