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Aus: Ausgabe vom 12.08.2024, Seite 5 / Inland
Landwirtschaftspolitik

Schweinkram, eine Haltungsfrage

Linke fordert Stallumbau bei allen Nutztierarten. Übrigens: Nachfrage in Grillsaison gesunken
Von Oliver Rast
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Mastbetrieb mit Vollspaltböden im Emsland: Was grunzt du so, du lecker rosa Schweinchen?

Sie sind schon eine spezielle Klientel – und wasserscheu ohnehin: Grillfans. Das spüren besonders die Schweinemäster dieser Tage, berichtete dpa am Sonntag. Denn die Nachfrage nach verzehrfähigem Schweinkram, etwa nach Nackensteaks üppiger Sauen hat nachgelassen. Merklich. Schuld daran ist der miese Sommer vielerorts samt Regenwetter in großen Teilen der Republik. So etwas vermasselt die Saison der Grillerei im Park, im Gärtchen der Datscha oder auf luftigem Hochhausbalkon. Das heißt, der schicke, neue Edelstahlsmoker mit blitzblankem Rost, Aromaschienen, Hitzereflektoren, Grillschwertern & Co. bleibt im Schuppen, bleibt im Keller.

Und noch etwas scheint typisch für den saisonalen Schürzenjäger mit der Grillzange in der Hand: das Desinteresse an tierwohlgerechter Haltung. Dafür interessiert sich hingegen Ina Latendorf (Die Linke). Die agrarpolitische Sprecherin ihrer Bundestagsgruppe hat jüngst eine kleine Anfrage an die Bundesregierung zum Umbau der Tierhaltung gestellt, die jW vorliegt. Denn da passiert nicht genug, findet die Linke-Politikerin. Im Vertrag der Ampelkoalition steht beispielsweise: »Wir wollen die Landwirte dabei unterstützen, die Nutztierhaltung in Deutschland artgerecht umzubauen.«

Dafür sei im Bundeshaushalt insgesamt eine Milliarde Euro »zur Förderung der laufenden Mehrkosten« bereitgestellt worden, rechnet die parlamentarische Staatssekretärin Ophelia Nick im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) von Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) in ihrer Antwort vor. Das Problem: Die finanzielle Unterstützung der Landwirte beschränke sich auf eine Nutztierart: auf Schweine, moniert Latendorf in einem Statement am Freitag. Das BMEL begründet das so: »Aufgrund der akuten Herausforderungen in der Schweinehaltung konzentriert sich das Bundesprogramm zunächst auf diesen Bereich.« Das überzeugt die linke Parlamentarierin nicht. »Man fragt sich, ob der Minister Özdemir schon einmal einen Milchviehbetrieb besucht hat.« Dort liege gleichfalls viel im argen, unter anderem wegen des enormen Preisdrucks, verursacht durch die »fast monopolartige Stellung von Molkereien«.

Latendorf lässt nicht locker, warum nur der Fokus auf Schweine? Zur Frage einer Förderung von Stallumbauten bei weiteren Tierarten sei »die Willensbildung innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen«, heißt es seitens des BMEL. Das reicht Latendorf wieder nicht, zumal es generell um eine tierwohlgerechte Haltung aller Nutztiere gehen müsse. Aber: Kein Wort, keine Idee für einen langfristigen Umbau hierzulande. Mehr noch, »nichts von einer planungssicheren und auskömmlichen Finanzierung«, ärgert sich Latendorf. Damit produziere die Ampel bei deutschen Landwirten vor allem eines: viel Unzufriedenheit, viel Verunsicherung.

Ein Beleg: Zum Stichtag 3. Mai sank laut Statistischem Bundesamt die Zahl schweinehaltender Betriebe auf 15.700. Das sind im Vergleich zum Vorjahr 3,4 Prozent weniger. Die Zahl gehaltener Schweine lag bei 20,9 Millionen, was im Vergleich zum selben Tag des Vorjahres nahezu unverändert war (minus 1.200 Tiere), so dpa. Das bedeutet, Großbetriebe überleben und sichern relativ konstante Bestandszahlen beim Schlachtvieh Schwein.

Nur, wie lässt sich der Umbau der Tierhaltung in der Landwirtschaft beschleunigen, auf alle Nutztierarten ausweiten? Latendorf weiß da was: Lidl, Aldi & Co. hätten sich finanziell zu beteiligen. Ganz klar. Während Bauern als Erzeuger oftmals darben und Verbraucher die Teuerungswelle bei Esswaren weiterhin verkraften müssten, haben Lebensmittelriesen in der Krise kräftig kassiert. Latendorf: »Denn in der Mitte wird das Schwein fett.« Grillfans ist das wohlbekannt, wenn das Wetter denn mitspielt.

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