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Aus: Ausgabe vom 12.08.2024, Seite 7 / Ausland
Nahostkonflikt

Netanjahu lässt Geiseln fallen

Israel: Ultrarechtsregierung beharrt weiter auf Zerschlagung von Hamas. Verhandlungen sollen Donnerstag weitergehen
Von Knut Mellenthin
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Israels Ultrarechte ist mit Appellen an die Menschlichkeit nicht mehr zu erreichen (Tel Aviv, 10.8.2024)

In vielen Städten Israels haben auch am Sonnabend zahlreiche Menschen für einen Gefangenenaustausch mit der palästinensischen Seite und vielfach auch für vorgezogene Neuwahlen demonstriert. Luftaufnahmen lassen darauf schließen, dass sich in Tel Aviv, der größten Stadt des Landes, Zehntausende auf dem Hostages Square und auf der nahegelegenen Kaplan Street versammelten. Weitere Aktionen gab es unter anderem in Jerusalem, in der Hafenstadt Haifa, in Kfar Saba, im südisraelischen Beerscheba und auf der Amiad-Kreuzung am vielbefahrenen Highway 85, der West- und Ostgaliläa miteinander verbindet. Polizeieinheiten lösten »Protestpicknicks« auf, die vor den Häusern und Wohnungen von Politikern der Regierungskoalition aus Likud und der Ultrarechten stattfanden.

Die Stimmung hatte sich verschärft, nachdem Israels angeblich populärster Privatsender Channel 12 am Freitag einen nicht namentlich genannten hochrangigen »Offiziellen« mit der Einschätzung zitiert hatte, dass die meisten israelischen Geiseln im Gazastreifen nicht mehr lange unter den Bedingungen überleben könnten, unter denen sie gefangengehalten werden. Viele betrachten Benjamin Netanjahu, der immer neue Forderungen nachschiebe, als Hauptschuldigen für das Nichtzustandekommen einer Verhandlungslösung. Der Premierminister hat sich mehrfach öffentlich darauf festgelegt, dass er keinem Abkommen zustimmen werde, ohne dass »die militärischen und regierungsmäßigen Fähigkeiten der Hamas« ausgeschaltet würden. Die Empörung auf den Kundgebungen richtete sich auch gegen den extrem rechten Justizminister Bezalel Smotrich: Er wirft der Regierungsmehrheit vor, ein »Kapitulationsabkommen« anzustreben.

Die allgemeine Aufmerksamkeit richtet sich jetzt auf Donnerstag. Dann sollen in Katar die faktisch unterbrochenen Verhandlungen wiederaufgenommen werden. Viele, die Netanjahus destruktive Verhandlungstaktik kritisieren, beschwören die Gefahr, dass dies »die letzte Verhandlungsrunde« werden könnte. Israelische Medien rechnen nach einem Gefangenenaustausch im November 2023 damit, dass sich von den 251 Menschen, die am 7. Oktober 2023 verschleppt wurden, nur noch 111 im Gazastreifen befinden. Diese Zahl schließt 39 Geiseln ein, die von den israelischen Streitkräften für tot erklärt wurden.

Der US-Sender CNN meldete am Freitag, dass das State Department, ohne den Verhandlungsverlauf abzuwarten, den Kongress offiziell über die Absicht der Regierung informiert hat, Israel weitere Waffen und anderes Kriegsmaterial im Wert von 3,5 Milliarden US-Dollar zu liefern. Sie sind Teil eines Hilfspakets für Israel von insgesamt 14,1 Milliarden US-Dollar, dem der Kongress im April zugestimmt hat. CNN schrieb dazu, dass die angekündigte neue Freigabe nur für Waffen gelte, die sich noch in der Produktion befänden und erst in mehreren Jahren verfügbar würden.

Zugleich warten Bevölkerung und Politiker Israels gespannt auf die »zerschmetternde Antwort«, die der Iran nach der Ermordung von Hamas-Chef Ismail Hanija in Teheran am 31. Juli angekündigt hat. Für den Fall, dass es wirklich zu einem iranischen »Vergeltungsschlag« wie am 13. April kommt, haben israelische Politiker der Regierungskoalition und mehrerer Oppositionsparteien eine ungleich stärkere Reaktion angekündigt. Netanjahu drohte darüber hinaus am Donnerstag beim Besuch auf einem Militärstützpunkt mit »Präventivangriffen« gegen Iran und die libanesische Hisbollah.

Netanjahus Vorgänger Naftali Bennett, der vom 13. Juni 2021 bis zum 30. Juni 2022 Premierminister einer beispiellos breiten Koalition war, hat am Donnerstag beim Moderator Piers Morgan im Sender Sky News Australia zur Verstärkung der israelischen Kampfhandlungen gegen Iran und zur »Zerstörung des (dortigen; jW) Regimes« aufgerufen. Damit befinde sich Israel in einem »defensiven Krieg« und leiste der Welt einen großen Dienst. Israel sei der »Wellenbrecher inmitten einer großen Woge des radikalen Dschihadistenterrors und verteidigt gewissermaßen den Westen gegen diese Welle«, behauptete Bennett.

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