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Aus: Ausgabe vom 12.08.2024, Seite 7 / Ausland
Südasien

Interimsregierung nimmt Arbeit auf

Bangladesch: Übergangspremier Muhammad Yunus, mächtige Studentenführer und viele offene Fragen
Von Thomas Berger
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Vor der Vereidigung als Interimsregierungschef: Der Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus, einer der Erfinder der »Mikrokredite« (Dhaka, 8.8.2024)

In Bangladesch hat sich, obwohl es punktuell noch Gewaltausbrüche gibt, die Lage inzwischen zum guten Teil normalisiert. Eine Woche ist seit der Entmachtung der seit 15 Jahren regierenden Sheikh Hasina vergangen. Mikrokreditepionier und Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus (84) war am Donnerstag von Präsident Mohammed Shahabuddin als Leiter der Übergangsadministration vereidigt worden. Sein 17köpfiges Team ist eine illustre Runde. Nur die wenigsten haben – wie ein früherer Außenminister und ein Exzentralbankchef – schon politische oder Verwaltungserfahrung. Der größere Teil kommt aus der Wissenschaft oder hat sich durch gesellschaftliches Engagement einen Namen gemacht. Einige der renommiertesten Menschenrechtsaktivisten, Streiter für Indigenenrechte, Umweltanwälte und Naturschutzvorkämpfer des Landes befinden sich darunter.

Mit Nahid Islam und Asif Mahmud gehören zwei Anführer der »Studenten gegen Diskriminierung« (englische Abkürzung: SAD), die den politischen Neuanfang im Land durch ihre Massenproteste ermöglicht hatten, direkt dem Team an. Weitere Mitglieder könnten als Berater der neuen Ministerriege nachnominiert werden, hieß es. Die SAD werden weiter eine wichtige Rolle spielen, betonte Islam. Wichtigstes Ziel sei die Vorbereitung von Neuwahlen, oberste Priorität hätten hingegen einige grundlegende Reformen, umriss er die Aufgabenstellung.

»Wir respektieren Bangladeschs Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität sowie den Entwicklungspfad, den das Volk dort eigenständig gewählt hat. Wir stehen streng zu unserer Politik der guten Nachbarschaft und Freundschaft mit allen Menschen in Bangladesch«, ließ sich das chinesische Außenministerium kurz und in eher allgemein gehaltenen Sätzen in einer ersten Stellungnahme vernehmen. Nicht nur in westlichen Hauptstädten, sondern auch in Delhi und Beijing verfolgt man die Entwicklungen in Dhaka mit größter Aufmerksamkeit. Für China geht es um den Schutz seiner Investitionen: Auch in Bangladesch gibt es Projekte der milliardenschweren Belt and Road Initiative (BRI) alias Neue Seidenstraße. Erst vier Wochen vor ihrem jüngsten Abtritt war Premierministerin Sheikh Hasina zu Besuch in Beijing.

Die Studierenden hätten eine »Revolution in Gang gesetzt«, nachdem zuvor Hasina, bis dato am längsten regierende Frau weltweit, den Frust und die Verärgerung der Volksmassen gravierend unterschätzt hatte, schreibt Vinod Koshti vom Südasienbüro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in einem aktuellen Artikel. Noch unklar sind die langfristigen Implikationen des Neubeginns. Vielfach wird derzeit die zentrale Frage aufgeworfen, wie tiefgründig und nachhaltig die Neujustierung gerade angesichts des zeitlich eng befristeten Mandats der Übergangsadministration sein kann.

Zumindest rollen Tag für Tag sinnbildlich weitere Köpfe: »Belastete« Leiter wichtiger Behörden, Einrichtungen und Strukturen nehmen entweder von sich aus ihren Hut – oft unter dem formellen Verweis auf persönliche oder gesundheitliche Gründe – oder sind per Order ersetzt worden. So gab es umgehend einen neuen nationalen Polizeichef, am Freitag trat nach einem seiner Stellvertreter auch der Chef der Zentralbank zurück. Syed Refaat Ahmed ist neuer Oberster Richter des Landes, nachdem die Studentenführer am Sonnabend seinem Vorgänger und fünf weiteren Richtern am Supreme Court ein Ultimatum bis 13 Uhr (Ortszeit) zum Rücktritt gestellt hatten. Auch erste Unileiter haben ihre Posten geräumt.

M. K. Bhadrakumar, der drei Jahrzehnte für Indien als Diplomat in zahlreichen Ländern im Einsatz war und heute ein global gefragter Autor ist, spricht in einem Beitrag auf seinem eigenen Blog »Indian Punchline« Yunus die Fähigkeit ab, ein »Nation-Builder« zu sein, sieht den Kopf der Interimsadministration vielmehr als Marionette von US-Interessen. Bhadrakumar führt dabei langjährige und vielfältige Verbindungen des Friedensnobelpreisträgers an. Anders als bei Hasina, die eine »gestandene Freundin« Indiens sei, sollte Neu-Delhi von Yunus nicht die gleiche enge Bindung erwarten, warnt er.

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