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Aus: Ausgabe vom 12.08.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Energiepolitik

Glencore macht weiter Kohle

Schweizer Rohstoffriese hält am fossilen Energieträger fest – wegen eines Stimmungswandels der Anleger
Von Dominic Iten
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Lukratives fossiles Business – vor allem dann, wenn man einiges auf Halde hat

Es ist eine Kehrtwende: Am vergangenen Mittwoch teilte Glencore mit, sich vorerst nicht vom Kohlegeschäft trennen zu wollen. Im zurückliegenden Jahr hatten die Chefetage des Schweizer Rohstoffkonzerns noch verkündet, angesichts sinkender Preise, diese Energiesparte vom Konglomerat abzuspalten. Diese gewaltige Umstrukturierung des Rohstoffriesen ist nun abgeblasen – nach offizieller Begründung wegen eines Stimmungswandels der Anleger gegenüber fossilen Brennstoffen.

217 Milliarden US-Dollar Umsatz verzeichnete der weltweit größte, im Steuerparadies Zug ansässige Kohleproduzent im Jahr 2023. Doch im ersten Halbjahr 2024 wies Glencore einen Nettoverlust von 233 Millionen US-Dollar aus, womit der Konzern deutlich hinter den Erwartungen der Analysten und Anleger zurückblieb. Ein ungünstiger Zeitpunkt, sich vom lukrativen Kohlegeschäft zu trennen, das zum wirtschaftlichen Erfolg Glencores wesentlich beiträgt. Mehr als 95 Prozent der Aktionäre haben sich laut offizieller Mitteilung für die Beibehaltung des Kohle- und Kohlenstoffstahlgeschäfts ausgesprochen – vor allem um »Barmittel zu generieren«, »Möglichkeiten im Übergangsmetallportfolio, wie zum Beispiel die Kupferwachstumsprojektpipeline, zu finanzieren« und um »die Rückführung überschüssiger Cashflows an die Aktionäre zu beschleunigen«.

Glencore macht also weiter Kohle, obwohl CEO Gary Nagle wieder und wieder beteuert, sein Unternehmen in eine klimafreundliche Richtung umbauen zu wollen. Glencore beabsichtigt nach eigener Aussage, »vorrangig in Rohstoffe zu investieren«, welche »die Dekarbonisierung der Energienutzung unterstützen«, und verspricht, die »Produktion von Kraftwerkskohle im Laufe der Zeit zu reduzieren«. Vor diesem Hintergrund übernahm der Konzern Ende 2023 das Kohlegeschäft des kanadischen Bergbauunternehmens Teck und verkündete, dieses mit dem eigenen Kohlegeschäft zusammenzuführen und abzuspalten. Was von Glencore übrigbleibt, hätte sich nach damaligem Plan auf die Förderung und den Handel mit Metallen konzentrieren sollen.

Doch sogleich wurden unter den Aktionären Stimmen laut, die Nagles Kurs kritisierten. Darauf hat die Konzernleitung nun reagiert, »das Pendel zum nachhaltigen Anlegen sei zurückgeschwungen, nun seien realistischere Ansätze als der vollständige Verzicht auf Kohle gefragt«, zitiert die Neue Zürcher Zeitung die Konzernführung. An seiner Klimastrategie will Glencore aber festhalten – was angesichts seiner Treibhausgasemissionen auch zu empfehlen wäre. Mit rund 433 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten im Jahr 2023 steigerte der Konzern seinen Beitrag zur globalen Erwärmung gegenüber dem Vorjahr und gehört zu den größten Emittenten von Treibhausgasen weltweit.

Deshalb und auch wegen mieser Arbeitsbedingungen, Zwangsumsiedlungen im Rahmen von Bergbauaktivitäten, Korruption und mangelnder Transparenz steht Glencore wiederholt in der Kritik. In der Regel weist der Konzern die Vorwürfe als übertrieben und unhaltbar zurück und verweist auf das schwierige globale Umfeld, in welchem er operiert. Wirklich schwierig wird aber mehr und mehr die glaubhafte Überspielung des Widerspruchs, Mensch und Umwelt für Milliardenprofite auszubeuten und gleichzeitig ein nachhaltiges Unternehmen sein zu wollen.

Diesen Widerspruch versucht die Financial Times aus einer anderen Warte einzufangen, wenn sie Glencores Situation als Dilemma beschreibt: Wie solle man auf die hohen Renditen der Kohle verzichten, wenn diese zur Finanzierung sauberer Technologien wie Kupfer und Kobalt verwendet werden könnten, fragt sie – und findet keine gute Antwort, weil die Frage falsch gestellt ist. Wer bei der Abwendung des drohenden ökologischen Kollapses auf Konzerne wie Glencore setzt, hat den metabolischen Riss übersehen, den die kapitalistische Produktionsweise zwischen Mensch und Natur verursacht hat. Die Worte von Konzernführung und Aktionären belegen eindrücklich, dass die Herstellung natürlicher Kreisläufe nicht von jenen Kräften zu erwarten ist, welche diese im höchsten Masse stören.

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